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Die lieben Patienten!

Die lieben Patienten!

Titel: Die lieben Patienten! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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zu einem exotischen Knoten auf dem Kopf zusammengewunden war.
    Ich blickte mich um, um zu sehen, welchen Eindruck sie auf
    Faraday gemacht hatte, aber er war damit beschäftigt, seine Füße in die gepumpten Schuhe zu zwängen.
    »Caroline!« sagte ich. Und es war nicht nur ihre Erscheinung. Mit dem Kleid und der Perücke, die sicherlich Sylvias Werk waren, hatte sie ihr altes sonniges Lächeln und ihre Gelassenheit wiedergewonnen. Jetzt wurde mir erst klar, wie elend sie sich gefühlt haben mußte.
    Auf dem Gesellschaftsball der gesamten Ärzeschaft wurden wir von Sir Neville und Lady Carter-Browne empfangen, denen unsere Namen durch einen rot livrierten Zeremonienmeister mit einer Stimme wie ein mächtiges Nebelhorn und einem ausgefransten Ohr verkündet wurde. Sir Neville war der Präsident der Gesellschaft, und die anstrengenden Pflichten als Gattin des Präsidenten hatten den Händedruck seiner lieben Lady bereits so schlaff werden lassen, daß man meinte, einen toten Fisch anzufassen. Nach Faradays Meinung, der ihr anscheinend tiefer in die Augen geblickt hatte als ich, schien sie auch an einem leichten Nystagmus zu leiden, und ich bin sicher, daß ihn den ganzen Abend das Grübeln über die Ursache dieses Leidens quälte.
    Das Empfangszimmer war gestopft voll. Inmitten der Ärztefrauen, die weder für ihr Aussehen noch für ihre Prachtentfaltung allzu bekannt waren, machten Sylvia und Caroline einen überwältigenden Eindrude. Viele Gruppen, durch die wir unseren Weg zur Bar bahnten, verstummten inmitten ihrer Unterhaltung über Entbindungen oder Narkosen und starrten die beiden mit großen Augen an. Wenn sie dann ihr Gespräch Wiederaufnahmen, wußten sicher die meisten nicht mehr, wovon sie vorher gesprochen hatten. Zum Dinner hatte man uns an einen Tisch mit dem Pathologen von Faradays Krankenhaus gesetzt, dessen Frau im Gesundheitsamt arbeitete, und mit einem Chirurgen, der ebensosehr wegen seiner Schweigsamkeit wie wegen seiner Geschicklichkeit mit dem Messer bekannt war; an dem ersteren war, wie man sagte, seine Frau schuld, die an einem Leiden litt, das man in Ärztekreisen als »mündliche Diarrhöe« bezeichnete, und mit einem praktischen Arzt aus Luton, dessen Frau den Eindruck machte, als könnte sie ihn mit einer Hand hochheben und in die Tasche stecken. Und neben diesem gutmütigen Fleischberg hatte sich Faraday seinen Platz gewählt.
    Bevor zum Dinner gerufen wurde, hatte er mich verstohlen mit in den Ballsaal gezogen und an Tisch sechzehn flink und gewandt die Tischkarten ausgetauscht.
    Ich war überrascht. »Möchtest du denn nicht lieber neben Mrs. Medway sitzen?« fragte ich. Sie war die Frau des Pathologen und ein nettes Mädchen.
    »Keine Aussichten für mich. Ich bin hier, um die Frauen der praktischen Ärzte zu becircen.«
    Und da fiel mir ein, daß Faraday Patienten brauchte. Wir waren gerade mit unserer Pampelmuse beschäftigt, und Mrs. Scott, die Frau des Chirurgen, erklärte: »Eins ist bei diesen Ärzteveranstaltungen immer gleich, wie ich schon oft zu meinem Mann gesagt habe, nicht wahr, Lieber - er ist immer einer Meinung mit mir -, man kann sich darauf verlassen, daß...«
    Aber wir erfuhren, vielleicht zu unserem Glück, niemals, was das war, worauf man sich immer verlassen konnte, denn in diesem Augenblick ertönte eine Durchsage aus dem Lautsprecher auf dem Podium: »Dr. Faraday wird am Telefon verlangt. Dr. Faraday.«
    Diese Ankündigung wurde von der versammelten Mannschaft fröhlicher, entspannter Ärzte mit donnerndem Applaus aufgenommen, da man natürlich annahm, daß jetzt, wie das ja bei solchen Anlässen immer der Fall zu sein pflegt, jemand anders zur Arbeit gerufen wurde.
    Nach fünf Minuten war Faraday zurück.
    »Ein Besuch?« fragte die Frau des praktischen Arztes mitfühlend, als er den Platz neben ihr wieder einnahm.
    »Nein«, sagte Faraday.
    »Sie sind auch praktischer Arzt, nicht wahr?«
    »Nein, das nicht«, antwortete Faraday und versuchte gleichzeitig, uns mit seiner Pampelmuse nachzukommen. »Ich bin Neurologe.« Dies letzte Wort erscholl so laut, wie er es gerade noch wagen konnte.
    Die stattliche Lady dachte einen Augenblick nach. »Das erinnert mich an etwas«, sagte sie gedankenvoll und wandte sich dann ’an ihren Mann. »Dr. Faraday ist Neurologe, Arthur.« Und zu Faraday gewandt, fügte sie hinzu: »Mein Mann hat eine Praxis in Luton.«
    »Ach, wirklich?« fragte Faraday unschuldig, als hätte er sich nicht schon lange vorher bemüht, das

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