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Die lieben Patienten!

Die lieben Patienten!

Titel: Die lieben Patienten! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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Doktor aufzuwärmen«, hatte Miss Chudley angeordnet, und so würde es geschehen.
    Ich nippte an meinem Sherry und blickte sehnsüchtig auf den grünen Blumentopf mit dem grünen Farn, aber unglücklicherweise stand er zu weit entfernt, und außerdem paßte Gregg auf. Als ich das Glas geleert und den kleinen Wortwechsel mit Miss Chudley, in dem sie darauf bestand, daß ich ein zweites Glas des verdammten Zeuges annehmen möchte, und ich mich konstant weigerte, glücklich hinter mich gebracht hatte, schlug ich vor, daß wir nun zum geschäftlichen Teil übergingen. Ich erklärte, so taktvoll wie möglich, die Lage, und wartete besorgt auf die Reaktion, die auf meinen Vorschlag, daß sich Miss Chudley einer Operation unterziehen sollte, vermutlich folgen würde. Zu meiner Überraschung schien sie das keineswegs umzuwerfen, sondern sie sagte: »Wenn es das ist, was Sie mir raten, Doktor. Ich habe volles Vertrauen zu ihnen, wie Sie wissen.«
    Und dann verdarb sie den ganzen Eindruck wieder, indem sie fortfuhr: »Der Küchentisch ist außerordentlich groß, und natürlich kann Gregg ihn noch vorher gut scheuern.«
    »Der Küchentisch?«
    »Ich denke, daß er passend ist. Werden Sie selbst das Chloroform verabfolgen?«
    »Miss Chudley«, sagte ich.
    »... Withers wird mich festhalten, er ist sehr stark, denn ich werde natürlich zu strampeln versuchen.«
    »Aber Miss Chudley!«
    Sie hob ihre bleiche, beringte Hand. »Ich weiß, Sie werden Ihr Bestes tun - Sie haben es immer getan.«
    Jetzt erhob ich mich. »Miss Chudley«, sagte ich ernst, »hören Sie mir einmal zu.«
    So vorsichtig wie möglich erklärte ich ihr, wie es sich heutzutage mit Krankenhäusern, Chirurgen und modernen Betäubungsmitteln verhält. Es kostete mich fast eine Stunde, um Miss Chudley die Ideen ihrer Küchentischchirurgie auszutreiben. Als wir endlich zu einem Kompromiß kamen, war ich fast heiser. Und dies war der Kompromiß: Miss Chudley würde in eine Operation nach bewährter Methode einwilligen, dafür aber keinen Krankenwagen in Anspruch nehmen. Withers würde sie im Wagen hinbringen, sie würde ihre eigene Bettwäsche, ihre Handtücher und Decken mitnehmen, und der Chirurg müßte von Miss Chudley selbst begutachtet werden, bevor man ihm die Erlaubnis erteilen würde, sich des Oberschenkels anzunehmen.
    Die ersten beiden Bedingungen waren nicht zu schwierig, die dritte erforderte jedoch ein wenig Nachdenken. Der Chirurg, den ich zuerst für die Operation an Miss Chudley vorgesehen hatte, war einer der kompetentesten Ärzte, die ich kannte, aber er würde bestimmt bereits bei der ersten sozialen Hürde stolpern. Er war ein aufrechter, nordischer Landmann, der es gewohnt war, seine Gedanken auszusprechen, und schaudernd machte ich mir klar, welche Gedanken er beim Betreten von Miss Chudleys Krankenzimmer haben würde. Der nächste auf meiner Liste war ein lustiger Ire, der jede »mein liebes Mädchen« nannte. Ich glaube nicht, daß Miss Chudley über diese Zutraulichkeit erfreut sein würde. Dann gab es noch einen ausgezeichneten Burschen von meinem alten Krankenhaus, der sich überhaupt restlos weigerte, mit seinen Patienten zu sprechen, und einen Freund Faradays, der all seine Patienten, ganz gleich welchen Alters, so behandelte, als ob sie kleine Kinder seien. Ich wußte, Miss Chudley würde es ebensowenig gefallen, ignoriert zu werden, als die Operation als kleines >Pikserchen< bezeichnen zu lassen.
    Es war Sylvia, die das Problem zur Entscheidung brachte. Wir diskutierten beim Lunch darüber, und weder Faraday noch ich hatten jemanden gefunden, der von Miss Chudley akzeptiert werden würde, dabei aber andererseits auch unser Vertrauen als fähiger Chirurg hätte. Wir hatten es schon fast aufgegeben, als Sylvia sagte: »Wie wär es denn mit Sir Arthur Colenutt?«
    »Lebt er denn noch?« fragte Faraday.
    »Soweit mir bekannt ist.«
    »Nun, versichere dich lieber erst, damit wir sichergehen«, schlug Faraday ahnungsvoll vor. Aber es war uns klar, daß in der Person von Sir Arthur, vorausgesetzt, daß er noch unter den Lebenden weilte, die Antwort zu unserem Problem lag.
    Sir Arthur Colenutt war bereits zu seinen Lebzeiten zur Legende geworden, und da er in gewisser Weise zu Miss Chudleys Welt gehörte, konnte ich nicht begreifen, warum ich nicht selbst auf ihn gekommen war. Er war ein Chirurg von internationalem Ruf, dessen Geschicklichkeit, trotz seiner Jahre, immer noch gefragt war und der, obwohl ein Vorkämpfer des chirurgischen

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