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Die Liebenden von Leningrad

Die Liebenden von Leningrad

Titel: Die Liebenden von Leningrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paullina Simons
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wir es früher getan haben ...«
    »Tatiana, seit ich dich kennen gelernt habe, hat sich alles für mich geändert. Es gibt nur noch eine für mich, und das bist du! Ich würde dir immer alles erzählen!«
    Tatiana lächelte ihn an. Die Übelkeit war verschwunden. Sie wollte, dass er zu ihr kam und sie in die Arme nahm. »Es tut mir Leid, Alexander«, flüsterte sie. »Es tut mir Leid, dass ich an dir gezweifelt habe. Vielleicht bin ich noch zu unerfahren.« »Ja, vielleicht«, stimmte er zu. »Es ist wirklich schrecklich, dass wir so selten ungestört sind!«
    Tatiana dachte daran, wie sie im Sommergarten spazieren gegangen waren ... Wie wunderbar wäre es, wenn sie jeden Tag miteinander verbringen könnten ... Sie ergriff seine Hände. Alexander rückte näher und umschlang sie von hinten mit seinen Beinen. »Tania, wann können wir uns wieder treffen?«, fragte er und blickte sie forschend an. »Ich weiß es nicht.«
    »Wann darf ich dich das nächste Mal küssen?« »Küss mich jetzt!«, flüsterte sie.
    Aber Alexander sagte nur grimmig: »Vielleicht ist dies das letzte Mal! Die Deutschen dringen bald in die Stadt ein. Weißt du, was das bedeutet? Das Leben, das du bisher geführt hast, ist vorüber.«
    »Aber es ist doch schon lange nicht mehr so, wie es war«, sagte sie nachdenklich.
    »Ja, das stimmt«, bestätigte er. »Aber bisher haben wir lediglich aufgerüstet. Jetzt ist Krieg! Leningrad wird bald ein Schlachtfeld sein. Und wie viele von uns werden am Ende übrig bleiben?«
    Alexander seufzte. »Jedes Mal, wenn ich dich treffe, habe ich Angst, es könnte das letzte Mal sein.«
    Tatiana schluckte. »Warum ... warum hast du Dimitri eigentlich immer im Schlepptau, wenn du zu Besuch kommst?«, fragte sie. Alexander antwortete nicht sofort und Tatiana forschte in seinen Augen nach einer Erklärung. »Erzähl mir von Dimitri, Shura!«, forderte sie ihn leise auf. »Schuldest du ihm etwas?« Alexanders Blick schweifte unruhig umher. »Dimitri kennt mein Geheimnis, Tatiana!«, gab Alexander tonlos zurück.
    »Oh nein!«, stieß sie hervor.
    »Ich weiß nicht, ob ich es dir auch erzählen soll«, sagte Alexander unsicher. »Erzähl es mir!«
    Alexander stand auf. Er setzte sich ihr gegenüber und streckte die Beine aus. Tatiana spürte, dass er damit eine Distanz schaffen wollte. Sie zog einen Schuh aus und fuhr mit ihrem bloßen Fuß über seinen Stiefel.
    Alexander begann: »Nachdem meine Mutter verhaftet worden war, kam der NKWD zu mir.« Er wandte den Blick ab. »Man warf mir vor, ich hätte als Vierzehnjähriger in Moskau kapitalistische Propaganda verteilt. Also wurde ich verhaftet und direkt ins Gefängnis nach Kresty gebracht. In Spalerka, dem Umerziehungslager, hatten sie gerade keinen Platz für mich frei. Sie machten sich noch nicht einmal die Mühe, mich zu verhören. Ich war den Aufwand wohl nicht wert. Ich wurde zu zehn Jahren in Wladiwostok verurteilt. Kannst du dir das vorstellen?« »Nein«, bekannte Tatiana.
    »Weißt du, wie viele schließlich in dem Zug saßen, der nach Wladiwostok fuhr? Tausend! Ein Mann erzählte mir, das Lager würde achtzigtausend Menschen fassen. Achtzigtausend, Tania! In einem einzigen Lager! Ich konnte es nicht glauben.« Er fuhr fort: »Irgendetwas musste ich tun. Ich wollte schließlich nicht zehn Jahre meiner Jugend im Gefängnis verbringen!« Tatiana war sprachlos.
    »Weißt du, ich war immer davon ausgegangen, dass mir ein gutes Leben vergönnt sei. Meine Eltern glaubten an mich, ich war selbstbewusst ...« Er brach ab. »Gefängnis kam in meinem Lebensplan nicht vor. Ich habe nie etwas gestohlen oder sonst etwas Kriminelles getan. Wir fuhren also über die Wolga. In der Nähe von Kasan passierten wir eine dreißig Meter hohe Schlucht. Und mir war klar: Das war meine Chance, den Zug zu verlassen. Also sprang ich direkt in den Fluss.« Alexander lachte. »Sie hielten noch nicht einmal an. Sie waren der festen Überzeugung, ich sei direkt in den Tod gesprungen.« »Sie wussten nicht, mit wem sie es zu tun hatten«, sagte Tatiana. In diesem Moment hätte sie am liebsten die Arme um ihn geschlungen.
    »Hattest du Papiere oder Geld dabei?«
    »Nein. Das war im Sommer 1936. Nachdem ich entkommen war, schlug ich mich in südlicher Richtung durch, immer an der Wolga entlang, auf Fischerbooten, zu Fuß oder auf Pferdewagen. Von Kasan nach Uljanowsk, wo Lenin geboren ist - eine interessante Stadt übrigens. Dann nach Saratow, weiter fluss-abwärts. Schließlich landete ich in

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