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Die Liebenden von Leningrad

Die Liebenden von Leningrad

Titel: Die Liebenden von Leningrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paullina Simons
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»Deine Gefühle will ich am allerwenigsten verletzen.«
    Er ließ sie nicht los. »Was zum Teufel soll das heißen? Er wird dich sowieso in Ruhe lassen müssen, wenn wir zwischen uns endlich wieder Klarheit geschaffen haben.« »Ich weiß gar nicht, warum du dir über ihn Gedanken machst«, erwiderte Tatiana mit schwacher Stimme. »Dann beweis mir, dass ich mir keine Gedanken zu machen brauche! Ich will diese Spielchen nicht mehr mitmachen. Ich habe nicht vor, Vovas Gefühle zu schützen, wie ich das bei Dascha getan habe. Entweder du sagst es ihm, was das Beste wäre, oder ich sage es ihm, was schlimmer wäre.«
    Als Tatiana nicht antwortete, fuhr er fort: »Ich will mich nicht mit ihm herumschlagen. Und ich habe keine Lust, mich mit Zoe herumzuschlagen, die ständig ihre Brüste an mir reibt. Ich werde nicht schweigen, nur um Frieden in diesem Haus zu halten.«
    Tatiana blickte ihn an. »Was tut Zoe?« Kopfschüttelnd murmelte sie: »Nun, Vova ist nicht annähernd so aufdringlich.« »Ach nein?«, erwiderte Alexander. Eine Weile lang standen sie schweigend beieinander. Sie atmeten heftig. Schließlich begann Alexander erneut: »Du sagst ihm also, er soll dich in Ruhe lassen?«
    »Ja«, erwiderte sie leise. Er ließ sie los, und sie gingen weiter. »Ehrlich gesagt«, fuhr Tatiana nach einer Weile fort, »glaube ich, dass Vova unser kleinstes Problem ist.« Alexander beschleunigte seine Schritte. »Wohin gehen wir?«, fragte er.
    »Ich dachte, du wolltest das Haus meiner Großeltern sehen.« Alexander lachte freudlos auf. »Was ist daran so komisch?«, fragte Tatiana. »Ich habe es nicht für möglich gehalten«, erwiderte Alexander kopfschüttelnd, »nach dem, was ich in der Fünften Sowjet gesehen habe. Aber irgendwie ist es dir wieder gelungen.« »Was meinst du?«, fragte Tatiana.
    »Erklär mir, wie du es geschafft hast, dich mit Leuten zu umgeben, die sogar noch hilfsbedürftiger sind als deine Familie!«, fauchte er wütend.
    »Sprich nicht so von meiner Familie.«
    »Warum scharen sie sich eigentlich immer alle um dich? Kannst du das erklären?« »Dir nicht.«
    »Warum opferst du dich immer für andere Menschen auf, statt dich um dein eigenes Leben zu kümmern?« »Darüber will ich mit dir nicht reden. Du bist gemein.« »Hast du eigentlich im Laufe eines Tages in diesem verdammten Haus auch nur einen Moment für dich? Auch nur einen einzigen Moment?«, rief Alexander aus.
    »Nein, keinen einzigen«, gab Tatiana zurück. »Zum Glück nicht.«
    Sie gelangten in den Wald und gingen den Pfad entlang, der zur Kama führte. Schließlich kamen sie an eine große Lichtung, die von hohen Lärchen und weißen Birken umgeben war. Am felsigen Flussufer wuchsen Pappeln.
    Unter den Lärchen stand eine Holzhütte. An der Seite befand sich ein kleiner Verschlag, der als Holzschuppen diente, doch im Moment war kein Holz darin.
    »Ist sie das?«, fragte Alexander. »Sie ist nicht sehr groß.« »Meine Großeltern waren ja nur zu zweit«, antwortete Tatiana. »Aber sie haben ihre drei Enkelkinder erwartet. Wo wollten sie euch denn unterbringen?«
    »Es wäre schon gegangen«, erwiderte Tatiana. »Schließlich passen wir ja auch alle in Nairas Haus.«
    »Nun, mehr recht als schlecht«, erklärte Alexander und griff in seinen Rucksack. Er holte ein Werkzeug heraus und begann, die Bretter abzureißen, mit denen die Fenster zugenagelt waren.
    »Was machst du denn da?«
    »Ich will hineinsehen.«
    Tatiana ging zum Flussufer, setzte sich und zog ihre Sandalen aus.
    »Hast du einen Schlüssel für das Vorhängeschloss dabei?«, rief Alexander.
    Er hörte nichts. Ärgerlich ging er zu ihr und sagte laut: »Tatiana, ich rede mit dir. Ich habe gefragt, ob du einen Schlüssel für das Vorhängeschloss mitgebracht hast.« »Und ich habe dir geantwortet«, giftete sie. »Ich habe nein gesagt.«
    »Gut«, erwiderte er, zog seine halbautomatische Pistole aus dem Gürtel und entsicherte sie. »Dann schieße ich das verdammte Schloss eben auf.«
    »Warte, warte!« Hastig zog sie ein Band unter ihrem Hemd hervor, an dem der Schlüssel hing. »Hier. Du brauchst nicht zu schießen.« Sie wandte sich ab. »Du bist hier nicht im Krieg. Du musst deine Pistole nicht überallhin mitnehmen.« »Oh doch.« Alexander machte ein paar Schritte von ihr fort, doch dann drehte er sich wieder um. Er musterte ihren Rücken, ihre blonden Haare, die bloße Taille und ihre Schultern. Er steckte den Schlüssel in die Hosentasche, ging zu Tatiana zurück und

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