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Die Liebenden von Leningrad

Die Liebenden von Leningrad

Titel: Die Liebenden von Leningrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paullina Simons
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baute sich vor ihr im Wasser auf. Entschlossen sagte er: »Na gut, bringen wir es hinter uns.«
    »Was?«
    »Warum bist du böse auf mich? Was habe ich getan oder nicht getan? Sag es mir. Und zwar jetzt!«
    »Warum redest du so mit mir?« Tatiana sprang auf. »Du hast überhaupt kein Recht dazu.«
    »Du hast nicht das Recht, auf mich böse zu sein«, erwiderte er laut. »Tatiana, wir vergeuden unseren kostbaren Atem. Im Gegensatz zu dir bin ich in erster Linie dankbar, dass du lebst und überhaupt böse auf mich sein kannst.«
    »Ich habe auch Grund dazu. Aber ich bin natürlich auch dankbar, dass du lebst. Und ich bin froh, dass du hier bist.« »Du lässt mich nicht an dich heran. Erkennst du eigentlich, dass ich nach Lazarewo gekommen bin, obwohl ich ein halbes Jahr lang nichts von dir gehört habe?« Alexander wurde lauter. »Nicht ein einziges Mal in sechs Monaten hast du mir geschrieben! Ich hätte genauso gut denken können, ihr beide wärt tot.« »Ich weiß nicht, was du gedacht hast, Alexander«, sagte Tatiana und blickte an ihm vorbei über den Fluss. »Das kann ich dir sagen, Tatiana. Sechs Monate lang wusste ich nicht, ob du noch lebst oder schon gestorben bist, weil du dir nicht einmal die Mühe gemacht hast, einen verdammten Stift in die Hand zu nehmen.«
    »Ich wusste nicht, dass du von mir erwartetest, dass ich dir schreibe«, erwiderte Tatiana. Sie ergriff eine Hand voll Kieselsteine und warf sie in den Fluss.
    »Das wusstest du nicht?«, wiederholte er. Machte sie sich über ihn lustig? »Wovon redest du? Hallo, Tatiana! Ich bin Alexander. Kennen wir uns? Du wusstest nicht, ob ich erfahren wollte, ob es dir und Dascha gut geht?«
    Tatiana zuckte zurück. »Ich will mit dir nicht über Dascha reden.« Sie entfernte sich von ihm.
    Alexander folgte ihr. »Mit wem denn, wenn nicht mit mir? Mit Vova vielleicht?«
    »Besser mit ihm als mit dir.«
    »Na, das ist ja reizend«, brauste Alexander auf.
    Tatiana fuhr fort: »Ich habe dir nicht geschrieben, weil ich dachte, Dimitri erzählt dir alles. Er hat gesagt, er würde es tun, also ging ich davon aus, dass du über unser Schicksal Bescheid wusstest.«
    »Du hast gedacht, Dimitri würde es mir erzählen? Warum hast du mir nicht selbst geschrieben?«, schrie Alexander und trat auf sie zu. »Viertausend Rubel, Tatiana! Meinst du nicht auch, dass du mir dafür wenigstens einen verdammten Brief schuldig gewesen wärst? Meinst du nicht, du hättest von den viertausend Rubeln einen Stift kaufen können, um mir zu schreiben, statt Wodka und Zigaretten für deinen Verehrer?« »Leg endlich deine Waffe weg!«, schrie Tatiana zurück. »Wag es nicht, mir mit dem Ding vor der Nase herumzufuchteln!« Er schleuderte seine Pistole weg und trat so dicht auf sie zu, dass sie vor ihm zurückwich. »Was ist los, Tatiana?«, fragte er. »Hast du Angst vor mir?« »Ja«, erwiderte sie. »Ja.«
    Schweigend standen sie voreinander. Schließlich sagte Alexander: »Tania, als ich ankam, warst du so glücklich ...« »Woran hast du das gemerkt?«, fragte sie. »An meinem Schluchzen?«
    »Ja«, erwiderte er. »Ich dachte, du schluchzt vor Glück.« »Bist du dir da sicher?«, fragte Tatiana.
    »Tania, wenn du unglücklich bist, weil ich dich an Dinge erinnere, die du lieber vergessen möchtest, dann regeln wir das schon ..,« »Wenn nur ...«
    Er hob die Hand. »Warte!«, unterbrach er sie. »Ich sagte, wenn das so ist. Aber wenn es etwas anderes ist...« Er brach ab. Sie sah so wütend aus! Leiser fuhr er fort: »Hör mal, wie wäre es denn damit: Ich verzeihe dir, dass du mir nicht geschrieben hast, wenn du mir das eine verzeihst, was dich so wütend macht.« Er lächelte. »Es ist doch hoffentlich nur eine Sache.« »Alexander, mich macht so vieles wütend, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.«
    Er sah ihr an, dass sie die Wahrheit sagte. Und dass sie verletzt war. Es stand in ihren Augen geschrieben, und er erkannte plötzlich, dass es ihnen nie wirklich gelungen war, ehrlich über ihre Lage miteinander zu reden.
    »Tania, liegt es daran, dass Dascha und ich heiraten wollten?« Sie antwortete nicht.
    »Ist es wegen des Briefes, den ich an Dascha geschrieben habe?«
    Sie schwieg.
    »Noch mehr?«
    »Alexander«, sagte Tatiana kopfschüttelnd, »bei dir klingt das alles so trivial. All meine Gefühle werden auf diese wenigen Dinge reduziert, die du so verächtlich aufzählst.« »Das ist doch nicht trivial«, erwiderte er überrascht. »Aber es ist doch alles

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