Die Liebenden von Sotschi
Borissowitsch mitteilte, daß die Irene Walther nach Sotschi kommt, da kam nur Bubrow für diesen Fall in Frage. Schon wie er vom Esel fiel: einfach grandios! – Woher hatten Sie eigentlich den Tip, Victor Borissowitsch?«
»Sie meinen: wie wir auf Irene Walther kamen?« fragte General Butajew. »Ein V-Mann hatte uns gesteckt, daß sie in der Forschungs- und Entwicklungs-Abteilung für B- und C-Waffen arbeitet.« Butajew steckte sich eine dicke grusinische Zigarre an und blickte versonnen den Rauchringen nach. »Sie beschäftigt sich mit den B-Objekten, den Bakterien! Ein lautloser Millionentod, wenn diese Viecher in einem explodierenden Sprengkopf frei werden. Uns interessiert nun einmal, welche Bakterien in München gezüchtet oder präpariert werden. Irene Walther ist für uns eine sehr wichtige Frau.«
»Und Sie glauben, Bubrow knackt sie auf?« fragte Nasarow zweifelnd.
»Allerdings! Wenn einer, dann nur Boris Alexandrowitsch!« Ussatjuk lachte. »Haben wir etwas Geduld, Genossen! Der Trick mit dem Flugzeug ist gelungen, warum sollte Bubrows Potenz versagen?« Er hob sein Glas, prostete in die Ferne und lachte wieder. »Viel Glück, Boris Alexandrowitsch! Und nun – mach Liebe, Genosse!«
Sowohl in Moskau wie auch in München hatte man richtig kalkuliert: Das ›Liebespaar des Jahres‹, der ›Pirat aus Liebe‹, ›Dornröschen hinter dem Eisernen Vorhang‹, und wie man dieses Abenteuer sonst noch betitelte – nach zwei Wochen hatte auch diese Story den Reiz der Neuheit verloren.
Es war nicht gelungen, die Versteckten aufzuspüren, also hatten die Journalisten eine romantische Story mit viel ›russischer Seele‹ erfunden. Bubrow konnte das nur recht sein, seine Harmlosigkeit konnte gar nicht oft genug hervorgehoben und dokumentiert werden. Wenn alle Welt das Märchen glaubte, würden auch die Behörden nicht mißtrauisch werden.
Irene Walther war das Aufsehen um ihre Person peinlich. Sie dachte mit Bangen an das, was nach den Wochen des Versteckspielens geschehen würde. Vor allem fürchtete sie sich vor ihrer Rückkehr nach Steinebach. Dort würde sie zur Lokalheldin werden, alle würden mit ihr fühlen und sie beglückwünschen. Vor allem würde man neugierig auf diesen Russen sein, auf diesen unerschrockenen Prinzen, der zum ersten Mal eine sowjetische Maschine in den Westen entführt hatte – und noch dazu aus Liebe! Als die Zeitungen schrieben, daß er dafür bestraft werden würde, ging es wie ein Aufschrei durch die Bundesrepublik. Die Leserbriefseiten füllten sich mit Protesten.
»Vorzüglich!« sagte Oberst Ussatjuk. »Das übertrifft meine Erwartungen! Wir haben den Nerv der Deutschen getroffen.«
Und Bubrow sagte zu Irene, wenn er, wie jeden Morgen, die Zeitungen und Illustrierten las: »Das wird denen in Moskau weh tun! Ein Signal wird meine Tat sein! Bestimmt werden sie künftig großzügiger verfahren, wenn es um Reiseerlaubnis geht.«
»Wir werden aus Steinebach wegziehen«, sagte Irene unvermittelt. Sie saß auf dem kleinen Balkon der Pension mit dem geschnitzten Holzgeländer, um sich herum die aufgeschlagenen Zeitungen.
»Aber warum denn, mein Liebling?«
»Du würdest dir dort wie ein Wundertier vorkommen, das jeder anstarrt.«
»Auch das geht vorbei. Wenn mich alle gesehen haben, werde auch ich langweilig.«
»Noch hast du den Prozeß vor dir. Da steigen die Zeitungen noch einmal voll ein!«
»Aber dann wird endlich Ruhe sein! Dann können wir leben, Irinaschka …«
Bubrow kam zu ihr auf den Balkon, beugte sich über sie, streichelte ihre Brüste und küßte ihren Nacken. Sie erschauerte in allen Nerven. Es war eine Leidenschaft in ihr, die nicht mehr zu beherrschen war. Zum erstenmal, das wußte sie jetzt, hatte ihr Körper begriffen, was Liebe sein kann. Sie zählte die Tage nicht mehr nach Stunden, sondern nach seinen Umarmungen. Es gab keine Zeit mehr, oft auch keinen Raum – nur seine Nähe galt, seine Zärtlichkeit, seine Besitzergreifung, seine Erfüllung. Sie hatte nie geahnt, daß es eine so vollkommene Hingabe geben konnte.
»Die Sowjetunion wird dich ausbürgern«, sagte sie und dehnte sich unter seinen streichelnden Händen.
»Das wäre das Beste, was sie tun könnte.«
»Dann bist du staatenlos, Boris.«
»Ich werde Deutscher werden.«
»So einfach ist das nicht.«
»Wenn wir heiraten?«
»Auch dann nicht.«
»Ich will doch nur arbeiten, mit dir leben und glücklich sein. Warum wird das Einfache so schwer gemacht?«
»Da mußt du die fragen,
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