Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Liebenden von Sotschi

Die Liebenden von Sotschi

Titel: Die Liebenden von Sotschi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
aufgeweichte Erde gebohrt hatten.
    Natürlich fand man auch die Reifenspuren auf dem Seitenweg, wo Hämmerlings Auto geparkt hatte. Sie waren undeutlich, aber man goß sie trotzdem aus. Vielleicht ließ sich am Profil doch noch die Reifenmarke erkennen. Der Wagen hatte auch Öl verloren. Man schaufelte die ölglänzende Erde in einen Plastiksack. Möglich, daß das Labor die Marke feststellen konnte. Auch die leiseste Hoffnung bleibt eine Hoffnung.
    Bei der Personenbeschreibung wurde es dramatisch. Jeder der beiden Polizisten hatte den Täter anders in Erinnerung. So etwas dürfte bei Polizeibeamten nicht vorkommen, sie sind geschult, auf jede Kleinigkeit zu achten und genaue Beschreibungen abzugeben. Nichts hat ihnen zu entgehen, von der Nasenwarze bis zum Senkfuß. Und da die beiden Beamten, nach eigener Aussage, ganz nahe bei dem Täter gestanden und den Schutz seines Regenschirmes genossen hatten, war es nicht zu begreifen, daß jeder den Täter anders gesehen haben wollte.
    Mit dem Hut begann es. Er war grau, er war braun … die Augen waren blau, die Augen waren braun … er war ungefähr 1,74 groß, er konnte aber auch 1,80 sein. Er hatte ein rundes Gesicht, er hatte ein ausgesprochen schmales Gesicht. Er sprach Hochdeutsch, er sprach mit einem leicht bayrischen Zungenschlag. Er war dreißig Jahre alt, er konnte auch vierzig sein. Einig war man sich nur, daß er intelligent war und ein eiskalter Hund. Die Szene, wie er einen Beamten den Regenschirm halten ließ, um ungehindert zuschlagen zu können, war hollywoodreif.
    Der untersuchende Kommissar, an Kummer gewöhnt, stellte sich nach diesen Angaben von dem Täter ein Bild zusammen, das aus einem Zerrspiegelkabinett stammen konnte.
    »Damit können wir ihn nie identifizieren«, sagte er zu seinem Hauptwachtmeister, der mit dem Plastiksack voller Ölerde in den Einsatzwagen, einen VW-Bus, zurückkehrte. »Es ist alles sehr schnell gegangen, und außerdem stehen die Kollegen noch unter Schockwirkung. Michels, würden Sie auf äußere Kleinigkeiten achten, wenn Ihnen jemand in die Eier tritt?«
    »Ich glaube kaum.« Michels grinste. »Ich hätte genug mit mir zu tun.«
    »Wir haben also zwei Täterbeschreibungen. Wenden wir einen Trick an: Wir lassen beide zeichnen und behaupten, es waren zwei! So bekommen wir mit Anstand beide Bilder unters Volk.«
    Sie schritten noch einmal den Tatort ab, und es war Michels, der den durchnäßten, schmutzigen Zettel hinter einem Baum entdeckte. Die Schrift war noch gut zu lesen. Sie war mit einem wasserfesten Kugelschreiber geschrieben. »Franz-Josef, melde dich endlich. Tante Emmy wird ungeduldig.«
    »Das ist'n Ding!« sagte der Kommissar und steckte den Zettel vorsichtig in eine Klarsichthülle. »Wer ist Franz-Josef?«
    »Auf keinen Fall der König von Bayern.«
    »Und Tante Emmy? Wenn das der Täter verloren hat, haben wir zweierlei in der Hand: Seine Schrift und zwei Namen! Und wir haben ein Motiv: Er wollte hier eine Nachricht – diese Nachricht – hinterlassen. Die Wurzelhöhle ist einwandfrei ein Versteck. ›Franz-Josef, melde dich endlich! Tante Emmy wird ungeduldig.‹ – Das klingt verdammt nach Erpressung.«
    »Oder es ist ein Code-Wort …« sagte Michels.
    »Mann! Das wäre auch etwas!« Der Kommissar sah seinen Hauptwachtmeister erstaunt an. »Wie kommen Sie darauf?«
    »Ich lese abends gern FBI-Romane«, sagte Michels fast verschämt.
    »O Himmel!«
    »Ich weiß. Oft sind sie saublöd, aber manchmal … ›Franz-Josef, melde dich endlich‹ … Der Text ist so komisch. So was legt man doch nicht im Wald unter eine Wurzel.«
    »Und schlägt dazu zwei Polizisten krankenhausreif.« Der Kommissar betrachtete noch einmal den Zettel in der Plastikhülle. »Wenn die Nachricht zu dem Täter gehört, Michels, das kann unter Umständen ein ganz dickes Ei werden! Das soll nun mal der Leitende entscheiden.«
    In München erzeugten die Ermittlungen des 1. Kommissariats in Verbindung mit dem mysteriösen Zettel tiefe Nachdenklichkeit, der eine rege Aktivität folgte. Der Leitende Kriminaldirektor war der Ansicht, der Text sei typisch für eine konspirative Tätigkeit, das Verhalten des Täters durchaus logisch.
    Der Fall wurde an das Dezernat 14, das politische Dezernat, beim Polizeipräsidenten in München übergeben und als WE-Meldung sofort weitergereicht an das Landesamt für Verfassungsschutz, an das Landeskriminalamt Bayern, Abteilung VIII, an das Bundeskriminalamt, Abteilung St. in Bad Godesberg und an die

Weitere Kostenlose Bücher