Die Liebenden von Sotschi
Rindvieh!« sagte er laut. »Es war höchste Zeit, daß ich aufgegeben habe. So etwas darf einem Mann wie mir nicht passieren. Ich hätte es merken müssen, Herr Reinberg. Sulfi Iwanowitsch würde sich die Haare ausraufen, wenn er das jemals erführe! Man hat recht bei uns: Der westliche Kapitalismus paralysiert jeden, der seinem Einfluß ausgesetzt ist. Er weicht auf.« Er holte tief Atem. »Was wissen Sie von mir, Herr Reinberg?«
»Ich bin Major Ronald Cohagen.« Cohagen lächelte, legte den Arm um Bubrows Schulter und führte ihn in sein Zimmer. Es war etwas komfortabler ausgestattet, mit einer Sesselgruppe, einem runden Tisch und der amerikanischen Fahne in der Ecke. Auf dem Tisch standen Gläser und eine Wodkaflasche. Wodka Moskowkaja – wohl damit es ein wenig heimatlich wirkte. Alles sah so aus, als habe man auf Bubrow gewartet.
»Ich weiß nichts von Ihnen, Bubrow.« Cohagen setzte sich, nachdem sein Besucher sich in einen der Sessel hatte fallen lassen. Er griff zum Wodka und goß ein. »Das heißt: ich kenne natürlich die Geschichte von der Flugzeugentführung. Ihre himmelhochjauchzende Liebesgeschichte mit Dr. Irene Walther, die in Sotschi begann. Aber da ging in mir plötzlich ein Lämpchen an. Sie müssen wissen: Ich bin ein Typ, der einen geheimnisvollen Sender in sich hat. Man kann das nicht erklären – aber ich spüre, wenn etwas faul ist. Und als ich Ihre Geschichte in den Akten der CIA nachlas, rumpelte es in mir ganz gewaltig! Für meine Verrücktheiten bin ich im Amt berühmt, aber meine Erfolge geben mir immer recht. So bin ich auch jetzt bei Ihnen wie ein einsamer Wolf auf der Fährte! Niemand hat mir geglaubt; in den Akten stehen Sie weiß da wie ein gebadetes Lämmchen.« Cohagen hob das Wodkaglas, prostete und lachte. »Sa wasche sdarowse …«
»Spasiba!« Bubrow kippte das Glas in einem Zug weg. »Können Sie noch mehr Russisch, Major Cohagen?«
»Freunde nennen mich Ronny. Boris, wir sind doch Freunde, nicht wahr?«
»Dann sagen Sie Borja zu mir, Ronny.«
»Mit Freuden! Nein, Russisch kann ich nicht; nur zu Ihrem Empfang habe ich ein paar Worte gelernt. Aber ich möchte Sie nicht damit belästigen. Wollen Sie lieber Englisch sprechen, oder bleiben wir beim Deutsch?«
»Unter uns Englisch. Ich werde es ja bald sprechen müssen.« Bubrow setzte sich so steif in den Sessel, als müsse er im Sitzen eine Meldung machen. »Ich bitte um politisches Asyl und um vollkommenen Schutz durch die USA. Ich bin Hauptmann Boris Alexandrowitsch Bubrow vom KGB, Moskau. Sonderbeauftragter der Abteilung Ha, Oberst Ussatjuk, in Zusammenarbeit mit der GRU, General Butajew.«
»Da haben wir es, das dicke Ei!« sagte Cohagen. Er konnte und wollte auch gar nicht verhindern, daß seine Stimme vor innerer Erregung nun doch etwas heiser klang. »Sie sind also ein Goldfisch, Borja?«
»Das zu beurteilen, überlasse ich Ihnen, Ronny.« Bubrow sah sich um. »Ein Tonband läuft doch mit?«
»Aber natürlich!« Cohagen lachte. »Das ist doch klar.«
»Ich bitte deshalb um Schutz, weil ich mich vom KGB abgemeldet habe.«
»Du lieber Himmel, die wissen, daß Sie hier sind?«
»Nein. Ich habe hinterlassen, daß ich nicht nach Moskau zurückkehre. Ich erwartete diesen Befehl. Er mußte heute oder morgen kommen. Noch weiß niemand, daß ich bei Ihnen bin. Am Abend wird es Irina wissen, ich habe einen Brief hinterlassen.« Bubrow sah Cohagen sehr ernst an. »Bitte, Ronny, kümmern Sie sich um Irina! Lassen Sie sie abholen und hierher bringen, unauffällig. Das ist die einzige Bedingung, die ich zu stellen habe. Was auch weiter geschieht mit mir: Irina muß bei mir sein! Nur ihretwegen bin ich ausgestiegen.«
»Also doch: Die Liebenden von Sotschi!« Cohagen nickte. »Wir bringen sie her – wenn sie will.«
»Sie wird nach dem Brief wie gelähmt sein. Oder völlig aufgelöst. Ich muß ihr hier, bei Ihnen, Ronny, beweisen, wie sehr ich sie liebe, und daß diese Liebe mein ganzes Leben verändert hat.«
»Das wird schwieriger werden als Ihre Flugzeugentführung, Borja.«
»Auf jeden Fall. Die Entführung war ein genialer Trick des KGB, um mich als Unschuldslamm hinauszukatapultieren. Die Flugzeugbesatzung hatte keine Ahnung, für sie war's echt. Aber unsere Botschaft in Bonn spielte mit, das Außenministerium, das Innenministerium, das meine Auslieferung als Verbrecher verlangte und eine Trübung der deutsch-sowjetischen Beziehungen ankündigte, falls man sie ablehnte. Das war der ungeheuer kritische Punkt
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