Die Liebenden von Sotschi
Eingriffe am Körper wie eine Mammaplastik – das sind immer Einzeloperationen. Bei Ihnen aber wird der ganze Kopf verändert: Nase, Ohren, Augenstellung, Kinn, Lippenpartie, Augenbrauen. Das wäre normalerweise jedesmal eine Operation für sich.«
»Und warum muß das sein?« fragte Bubrow und stellte sich unter die Dusche. »Alles auf einmal?«
»Es wird so gewünscht, Mr. Jefferson.«
Cohagen hat es eilig, mich loszuwerden, dachte Bubrow. Ein neues Gesicht, ein neuer Name, ein neuer Lebenskreis: das ist der Lohn. Aber dann schnell weg mit ihm! Er ist jetzt zu nichts mehr nütze.
Gegen Mittag kam Cohagen zu Besuch. Er brachte die neuesten Zeitungen mit, ein paar Bücher, Magazine und die erotischen Memoiren eines galanten Herrn aus der Goethezeit. Irene betrachtete verwundert das Buch, blätterte darin herum, stieß auf einige sehr eindeutige Kupferstiche und legte es weg. Cohagen grinste.
»Ich habe mir gedacht: Als Erinnerung …« sagte er jungenhaft unbekümmert.
»Ronny!«
»Immerhin ist es klassische Literatur. Ich würde mir nie erlauben, Ihnen einen modernen Porno mitzubringen. War gut gemeint, Irene! Borja wird in den nächsten zehn Tagen ausfallen. Sein Gesicht muß absolut ruhig bleiben.«
»Halten Sie mich für eine Messalina, Ronny?!«
»Wenn ich Sie sehe, kann ich verstehen, daß ein Mann hinter Ihnen herläuft wie ein Windhund hinter einem Hasen.«
»Ronny, nun halten Sie mal die Luft an!« sagte Irene lachend.
»Borja ist zu beneiden. Ich kann begreifen, daß man Ihretwegen Flugzeuge entführt.« Er nahm das galante Buch vom Tisch, blätterte darin herum und steckte es dann in seine Rocktasche. »Sorry, Irene. Vergessen Sie es. Ich habe manchmal solche Touren …« Er klopfte gegen die Tasche und sah Irene blinzelnd an. »Oder soll ich es hierlassen? Wollen Sie Borja daraus vorlesen?«
»Ronny, Sie fliegen gleich 'raus!«
Cohagen hob beide Arme hoch in die Luft, als ergebe er sich. Dann setzte er sich auf den Balkon, der nach beiden Seiten mit Markisen abgeschirmt war und nur den Blick auf den Park freigab. Blumenkästen verhinderten, daß man von unten den Bewohner des Appartements sehen konnte.
Im Park lagen drei Frauen in der Sonne. Sie trugen Kinnbinden, die das Gesicht nach einem Lifting ruhig hielten. Ein dicker Mann spielte Minigolf und schlug die Bälle ohne Gefühl immer weit aus den Bahnen hinaus.
»Kommt Borja nicht zum Essen?« fragte Cohagen und lümmelte sich in einen der Liegestühle.
»Keine Ahnung. Ich habe ihn seit neun Uhr nicht mehr gesehen.«
»Sie testen ihn durch.« Cohagen reckte sich genüßlich in der Sonne. Ein warmer Frühsommer war es, vom Ozean wehte laue Luft über das östliche Staten Island. »Haben Sie sich schon überlegt, wo Sie später leben möchten, Irene?«
»Nein. Ich kenne Amerika nicht, jedenfalls nicht so gut, um sagen zu können: Da möchte ich leben. Boris meint, weit weg vom Weltgeschehen wäre es am besten, zum Beispiel im Mittleren Westen, an der kanadischen Grenze, in den Wäldern, in den Rockies …«
»Ich hielte es für sicherer, erst einmal in New York zu bleiben«, sagte Cohagen. »Wovon wollen Sie leben? Ihre deutschen Ersparnisse dürften bald aufgebraucht sein. Die Bankumbuchungen sind fertig. Sie haben 34.678,– Dollar auf dem Konto. Das ist nicht viel für ein ganzes Leben, das ist schnell verbraucht. Sie könnten damit natürlich eine kleine Farm anzahlen – in Kalifornien, in Florida, in Kansas oder Nebraska. Aber haben Sie oder Borja Ahnung, wie solch ein Farmbetrieb läuft? Das ist etwas anderes, als in Oberbayern Kühe auf die Alm zu treiben. Farmer in Amerika – das ist ein knallharter Job!« Cohagen beobachtete Irene, wie sie neben ihm in einem Liegestuhl Platz nahm und mit unruhigen Händen durch ihr rötlichbraunes Haar strich. »Ich wiederhole es, Irene: In New York, unter reichlich sieben Millionen Menschen, sind Sie völlig anonym! Sie könnten in einem Krankenhaus arbeiten, könnten außerhalb New Yorks, vielleicht am Hudson, in der Gegend von Hastings, Irvington oder Tarrytown, wohnen. Ein nettes, kleines Landhaus im Grünen, eine Parklandschaft zum Verlieben – das alles würden wir für Sie arrangieren.«
»Das heißt: Es ist schon alles vorbereitet. Sie haben mit dem Krankenhaus gesprochen, Sie haben das Häuschen im Grünen schon angemietet, wir brauchen nur ja zu sagen?«
»Ich wußte, daß Sie logisch denken können, Irene.«
»Und was hat Borja zu tun? Seine Frau verdient das Geld. Er kocht
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