Die Liebenden von Sotschi
und putzt und gräbt den Garten um und führt den Hund ins Grüne. Ronny, das bringt ihn um!«
»Glauben Sie nicht, wir täten das alles aus purer Humanität! Hinter meinem Vorschlag steckt viel Eigennutz. Ich möchte Borja in meiner Nähe haben. Ganz klar: Ich möchte Bubrow in der Abteilung ›Nachrichten Ost‹ beschäftigen.«
»Weiß Boris das schon?«
»Nein. Ich wollte zuerst mit Ihnen darüber reden.«
»Ich glaube nicht, daß Boris zustimmt.«
»Warum nicht?«
»Wenn er für die CIA arbeitet, wäre das eine Arbeit gegen sein Vaterland. So gut kenne ich ihn nun doch: Was auch geschehen ist in den letzten Monaten – Boris bleibt immer ein Russe, der seine Heimat glühend liebt. Er würde nie, nie für die CIA arbeiten. Ahnen Sie überhaupt, Ronny, welche seelische Qualen Boris durchgestanden hat, als er sich Ihnen stellte und Ihnen, als Gegengabe, den Europaring des KGB preisgab? Er hat es mir erzählt! Er hatte das Gefühl, innerlich zu verbluten. Und er hat es auch nur getan, weil Orlowskij ihm deutlich zu verstehen gab, daß Moskau ihn umbringen will. Das war keine leere Drohung; er hat oft genug erlebt, wie das KGB reagiert.« Irene schüttelte den Kopf. »Boris wird Ihr Angebot nicht annehmen, Ronny.«
»Er brauchte nur als Übersetzer zu arbeiten. Keine Spionagetätigkeit! Eine sture Arbeit, wenn man so will: Er liest sowjetische Zeitungen und übersetzt uns die Artikel, die interessant sind. Das ist das Legalste, was es gibt. Da kann auch sein russisches Herz nicht zucken!«
»Und wo soll ich arbeiten?«
»In Yonkers. Im Sprain Ridge Hospital. Ein Riesenkomplex mit einem eigenen Friedhof, St. Marys Cemetery!« Cohagen liebte solche Witze. »In der II. Inneren Abteilung wäre ein Platz frei. Auch auf der Kinderstation und bei den Gynäkologen. Sie können wählen. Über die Prozedur der Arbeitserlaubnis brauchen Sie sich den Kopf nicht zu zerbrechen; das regelt unsere Zentrale.«
»Die vollkommene Verplanung der Menschen. Mir scheint, Sie sind eine Verkörperung amerikanischen Organisationstalents!«
»Danke. Darauf kann ich stolz sein.« Cohagen streckte sich und schob die Hände unter seinen Nacken. »Das habe ich in Old Germany so bewundert: Für uns Amerikaner weht da in mancher Beziehung noch ein Hauch vom alten Kaiserreich, und trotzdem klappt es bei den Deutschen! Bei uns ist jeder Job eine Jagd ums Überleben.« Im Hintergrund ging die Tür. Cohagen hob den Kopf. »Aha! Unser Frankenstein kommt! Borja, kommen Sie her, lassen Sie sich ansehen. Hat man Ihnen schon die Ohren beschnitten?«
Bubrow trat auf den Balkon, beugte sich über Irene, gab ihr einen Kuß und schlug Cohagen auf die Schulter.
»Ich bin fertig!« sagte er. »Dieser Dr. Haddix hat mich geschafft. Aber nun weiß ich: Ich bin kerngesund.«
»Das merkt man.« Cohagen massierte seine Schulter. »Ich hatte mit Irene ein tolles Gespräch über Erotik in der Goethezeit.«
»Er hat für uns bereits ein Haus im Grünen und eine Arbeit. Ich in einem Krankenhaus in Yonkers, du als Übersetzer sowjetischer Zeitungen.« Sie sah ihn groß an. »Für alles ist gesorgt.«
»Erst das neue Gesicht.« Bubrow setzte sich zwischen Irene und Cohagen auf einen weißlackierten Hocker. »Wieviel kann ich verdienen?«
»Im Monat dreitausend Dollar. Das ist ein Spitzengehalt.«
»Darüber sprechen wir noch, Ronny.«
Cohagen nickte und sah Irene vielsagend an. Er ist nicht grundsätzlich dagegen, dachte er. – Damit ist schon viel gewonnen.
An diesem Tag flog Leutnant Ruslan Michejewitsch Strelenko mit vier Mann Begleitung von London nach New York. Sie besaßen einwandfreie britische Pässe und das US-Besuchervisum. Am Kennedy Airport wurden sie abgeholt von einem Mr. Christie, der in Wirklichkeit Scholtowsky hieß. Bubrows Tod war in Amerika gelandet.
Die Operation war auf Freitag, 8 Uhr, anberaumt.
Schon am Donnerstagmittag bekam Bubrow kein Essen mehr und trank nur noch Mineralwasser. Am Abend spielte er mit Irene Schach und ließ sich nicht die geringste Aufregung anmerken.
Noch einmal hatten sie mit Prof. Tucker das neue Gesicht durchgesprochen. Die eingehenden Messungen machten einige Änderungen in der Zeichnung notwendig, aber als das Bild fertig war, hatten Irene und Bubrow nichts mehr dagegen einzuwenden.
Es war ein männliches, sehr prägnantes Gesicht mit eckigem, kräftigem Kinn, einer fast römischen Nase, dichten Augenbrauen und vollen Wangen. Mit Kunststoff, Knochenspänen und Silikon kann man allerhand zaubern. Für
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