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Die Liebesangst - Ragde, A: Liebesangst

Die Liebesangst - Ragde, A: Liebesangst

Titel: Die Liebesangst - Ragde, A: Liebesangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne B. Ragde
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banales Klischee. Weil die ganze Kiste so einfach war.
    Er war zum Fressen, und sie hatte auch vor, das zu tun. Warum begriffen nicht alle Frauen, dass es so einfach war? Männer wurden geil durch Geilheit, Männer wurden geil, wenn sie Frauen nicht mit Hilfe von gefühlsbeladenen Themen ins Bett reden mussten, mit Versprechen von Haus und Kindern, Männer wurden geil und wild von direkten Fragen danach, wie sie es am liebsten hatten, in welchen Stellungen, und welche Phantasien sie noch nie ausprobiert hatten.
    »Ich habe vergessen zu sagen, dass ich alles von Eminem habe«, sagte sie und dachte: Wenn seine Mutter das wüsste.

16
    Irgendwann bemerkte sie plötzlich, dass ihre Phase sexuellen Auslebens zu Ende war. Sie wachte eines Tages auf und wusste, dass sie vorbei war. Sie verknallte sich nicht mehr, und sie war auch nicht mehr geil. Sie verspürte eine angenehme Trägheit. Sie atmete freier, und es war ihr egal, welche Unterhose sie nach dem Duschen anzog, ob sie am Rand eingerissen war oder was auch immer. Sie überprüfte nicht einmal mit den Fingerspitzen, ob sie sich unten rasieren müsste. Es spielte einfach keine Rolle mehr, sie war allein, sie brauchte niemanden, und das zu wissen tat ihr gut. Sie wohnte in einer schönen Wohnung, hatte ein Auto, das erst Ärger machte, wenn die Temperatur auf zwanzig Grad unter null sank, sie liebte ihre Arbeit und machte sie gut, und sie war niemandem irgendetwas schuldig.
    Sie löschte alle gesendeten und erhaltenen SMS , ohne sie zu lesen, sie zog einen Schlussstrich. Aber sie löschte keine Telefonnummer, weil sie wissen wollte, welche ihrer Bekanntschaften sie abweisen würde, wenn das Handy klingelte. Die jungen Männer versuchten es gerade mal eine Woche lang bei ihr, länger hielt keiner durch, nicht einmal die Kumpels, die erfahren hatten, dass sie eine emanzipierte und hungrige und erfahrene und geile Frau war, deren Tür fast rund um die Uhr einen Spaltbreit geöffnet war.
    Peinliche Konsequenzen in der Öffentlichkeit hatten ihre Affären nie. Wenn ihr ein Ex-Liebhaber über den Weg lief, dann war sie immer überaus freundlich zu ihm, umarmte ihn und fragte, wie es ihm gehe. Oft bot sie auch an, ihm ein Bier auszugeben, ehe sie weiterging, weil sie behauptete, eine Verabredung zu haben und nur zufällig in diesem Lokal gelandet sei, weil sie geglaubt habe, dort eine Freundin anzutreffen … Wenn sie ihn übersehen oder so getan hätte, als hätte sie ihn nicht wiedererkannt, dann hätte die Situation auch schiefgehen können. Das begriff sie intuitiv. Es hätte das Bedürfnis entstehen können, mit dem intimen Wissen zu triumphieren, das er über sie besaß – immerhin war sie Musikjournalistin bei Adressa . Sobald sie aber signalisierte, dass sie ihre kleine gemeinsame Geschichte anerkannte, blieb er locker. Traf sie einen ihrer Ex mit einer gleichaltrigen Freundin, verhielt sie sich ebenso. Sie genoss die Nervosität, quälte ihn aber nicht zu lange, und bevor sie sagte, sie müsse jetzt weiter, fügte sie hinzu: »Grüß deine Mutter von mir.«
    Einmal hörte sie, was die junge Freundin sagte, als sie sich zum Gehen umdrehte. »Deine Mutter? Aber ist die nicht tot?«
    Viel angenehmer war es für Ingunn, wenn ihre Eroberungen anderswo wohnten. Trondheim war einfach zu klein, irritierend klein. So wie der, der in Molde wohnte, er stieg abends um elf ins Auto und war um vier Uhr morgens bei ihr. Sie hatten sich im Netz kennengelernt, viele E-Mails gewechselt und in einem privaten Forum Bilder getauscht. Er war eine Art gröbere Ausgabe von Josh Hartnett, nur blond, wobei seine Augenbrauen dunkel waren, weshalb sie annahm, dass er sich die Haare gebleicht hatte.
    Er sah so gut aus, dass ihr beim bloßen Anblick der amateurhaften Fotos am ganzen Leib der Schweiß ausbrach. Ihre Lippen brannten, sie musste einige Male hintereinander tief durchatmen. Erst als er im Auto saß und fast schon Oppdal erreicht hatte, rief er sie an, und sie hörte seine Stimme. Auch die gefiel ihr, sie war tief und voller Testosteron. Sie hatte am nächsten Tag Spätdienst, es passte also perfekt. Er war vierundzwanzig Jahre alt und bereitete sich auf das Examen zum Steuermann in der Küstenschifffahrt vor, er rief sie alle zwanzig Minuten an, bis sie ihm die letzten Anweisungen über den Parkplatz erteilte und ihm dann im Morgenrock die Tür öffnete.
    Er umarmte sie unbeholfen und wurde rot, ihr kamen sofort Bedenken. Aber er roch wahnsinnig gut, nach Tabak und Lederjacke und

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