Die Liebesangst - Ragde, A: Liebesangst
und glaubwürdige Weise beruhigte. Sie schaute aus dem Fenster, sah aber nur ihr eigenes Spiegelbild mit dem Glas in der Hand, eine Frau im Morgenmantel, zerzauste blonde Haare, große Augen und einen Mund, den ein Mann einmal mit dem von Michelle Pfeiffer verglichen hatte. Ihr Spiegelbild kam ihr einsam vor, aber das war natürlich Unsinn. Die aufreizende Banjomusik umhüllte sie, sie hing fast sichtbar in der Luft zwischen ihr und der Fensterscheibe. You keep staring into your liquor, wondering what to do. Krauss zusammen mit ihrer Begleitband Union Station war viel besser als Krauss mit Robert Plant. Just let me touch you baby, just let me touch you for a while. Sieben Jahre war sie alt und hatte einen liebenden Vater an ihrer Seite, der sogar den zwei Jahre alten Hundewunsch erfüllt hatte. Einen Vater, der durch die Dämmerung hinter ihr herlief, um sich davon zu überzeugen, dass mit ihr und dem Hund alles in Ordnung war. Ingunn merkte, wie Hass in ihr aufkeimte gegen dieses Kind, das einen Vater ganz für sich allein hatte und ihn vermutlich als selbstverständlich hinnahm. Und seine Stimme, voller Fürsorge und Anteilnahme. Er war ein Vater, ein guter Vater, das war kein Mann, der seine Tochter verlassen oder sie im Stich lassen würde. Er hatte sogar Essen gemacht, das im Ofen wartete. Das war etwas anderes als die Fertigmahlzeiten der Firma Fjordland.
»Verdammter Mist!«
Das kam also dabei heraus, wenn sie plötzlich beschloss, ihre eingefahrenen Gewohnheiten zu ändern.
Mitten in der Nacht aufwachen und sich ungesund vorkommen, Stöcke kaufen, was zum Teufel war eigentlich in sie gefahren?
Sie füllte das halbleere Glas mit Bombay Sapphire, trank, ohne durch die Nase zu atmen, goss Tonic nach und setzte sich an den Rechner. Diese Emma hatte so viel Glück und wusste gar nichts davon. Sieben Jahre alt und umhüllt von einer Blase aus Geborgenheit und Glück.
Sie sah ihre Mails durch. Sie hatte vier neue Mitteilungen bei der Singlebörse be2 , obwohl sie ihr Profil gelöscht hatte, und zwei neue bei Q 500 . Da sie im Moment für das Abonnement nicht bezahlte, durfte sie die Nachrichten aber nicht lesen. Sie beschloss, bei Q 500 ein neues, undetailliertes Profil einzurichten, Dating für alle, die wahre Liebe suchen, mit einem neuen Namen und einem neuen Passwort und neuer Bezahlung per Mastercard. Q 500 war besser als be2, die Besucherklicks auf ihrer Seite waren übersichtlicher geordnet. Sie entschied sich für Monika Lisa, und dieser Name war so ungewöhnlich, dass er durchging, ohne dass sie noch eine zusätzliche Zahl dahinter benötigte, sie war keine von der Stange.
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Sie ging sofort zu »Partnerempfehlung«, wo sie ihren Traummann mit verschiedenen Merkmalen selbst zusammenstellen konnte.
Sør-Trøndelag, Trondheim. Er musste zwischen eins achtzig und vielleicht eins fünfundachtzig groß sein. Alter: 38–42. Haarfarbe wohl dunkelblond, seine Augenfarbe hatte sie unmöglich erkennen können. Ausbildung? War ihr doch egal. Wie viel er verdienen sollte? War ihr doch egal. Familienstand? Emma und ich, hatte er gesagt. Er konnte also geschieden sein, Single, verheiratet mit Emmas Mutter, die als hoffnungsloser Fall auf einer geschlossenen Abteilung lag, sie hatte doch keine Ahnung, die Mutter konnte auch für eine Woche mit Freundinnen verreist sein, sie ließ die Frage also offen. Kinder: Sie wohnen bei mir. Anzahl Kinder: 1. Rauchgewohnheiten. Hatte er nach Rauch gerochen? Wenn er ein Raucher gewesen wäre, hätte er sich wahrscheinlich eine Zigarette angesteckt, als er sich mit ihr unterhielt. Es war aber auch möglich, dass er so plötzlich hinter Emma hergelaufen war, dass er seine Zigaretten vergessen hatte.
Das hier wurde zu kompliziert. Sie entschied sich für eine allgemeinere Suche, nur nach mutmaßlichem Alter, Größe und Wohnort Trondheim. Sie hatte 48 Treffer, 38 davon mit Bild, er war keiner davon. Sie sah sich das Profil der zehn ohne Foto genau an, was die Anzahl der Kinder anging. Keiner von ihnen lebte allein mit einer Tochter. Acht hatten Kinder, die nicht bei ihnen wohnten, zwei waren kinderlos, wünschten sich aber Kinder.
Normalerweise hätte sie jetzt auch noch ihren Redaktionsaccount checken und diese Mails lesen müssen, hatte aber keine Lust mehr, schaltete den Computer aus, mischte sich noch einen Drink, am nächsten Tag würde sie verkatert bei der Arbeit erscheinen, aber das spielte keine Rolle, es gab nichts auf der Welt, das sie in verkatertem Zustand nicht
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