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Die Liebesangst - Ragde, A: Liebesangst

Die Liebesangst - Ragde, A: Liebesangst

Titel: Die Liebesangst - Ragde, A: Liebesangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne B. Ragde
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bekommen, der von ihr nur erwartete, dass sie nicht mehr traurig wäre, weil alles wieder gut war.

39
    Als die beiden Flugzeuge innerhalb kürzester Zeit mit den Wolkenkratzern in New York verschmolzen waren, hatte sie Kartoffeln geschält, die sie mit einem kleinen Stück Räucherwurst zusammen anbraten wollte. Das Radio stand auf Augenhöhe im Gewürzregal.
    Alle Nachrichtensendungen wurden unterbrochen, und die ersten Berichte folgten sogleich: Ein Flugzeug war ins World Trade Center geflogen. Sie dachte: Ist da denn so viel Platz, dass ein Flugzeug reinfliegen kann? Ein Modellflugzeug, vielleicht? Sie griff zur zweiten und letzten Kartoffel, und die Nachrichten waren bruchstückhaft, unzusammenhängend und unlogisch, und die Kartoffeln landeten unten im Spülbecken, das kalte Wasser lief, sie ließ alles fallen und schaltete den Fernseher und CNN ein, wie alle anderen würde sie sich bis ans Ende ihres Lebens an jedes kleinste Detail dieses Tages erinnern, was sie angehabt hatte, der rechte Ärmel des roten Pullovers war nass vom Kartoffelschälen, weil der Bund dort lockerer war als am linken und sich nicht zum Ellbogen hochschieben ließ, das Wurststück, das sie in gleich große Stücke geschnitten hatte und das sie später mit den frischgeschälten Kartoffeln in den Mülleimer warf, wozu sollte sie essen, wenn sie doch allesamt sterben müssten?
    Beim zweiten Flugzeug saß sie da wie gelähmt, ehe sie in Tränen ausbrach. In den Lokalnachrichten hieß es, die Festung Kristiansten sei jetzt mit bewaffneter Mannschaft von der Offiziersschule besetzt. Nur unter großer Anstrengung gelang es ihr, den Wasserhahn zuzudrehen.
    Als damals die Nachricht von Dianas Unfalltod eingetroffen war, hatte sie mitten im Wohnzimmer gestanden, in einem phosphorgrünen Frotteemorgenmantel und mit einem weißen Keramikbecher mit lauwarmem Kaffee in der Hand. Das Sonnenlicht fiel durch das Fenster, und sie hatte gerade gedacht, dass sie unbedingt staubsaugen müsste, die Sonnenstrahlen bewiesen unzweifelhaft, dass es an der Zeit war.
    Als der Tsunami lostobte, saß sie im Peace Hotel in Shanghai und aß Dim Sum, zusammen mit einigen Vertretern vom Exportrat, norwegische Musik war zum Exportartikel geworden, und sie berichtete für mehrere norwegische Zeitungen darüber. Plötzlich trafen bei allen Teilnehmern am Tisch SMS ein, mit bangen Fragen, ob sie in Sicherheit seien. Sie wechselten Blicke, dann schauten sie aus dem Fenster hinunter auf den Huangpu-Fluss. Alles wirkte ganz normal.
    In Sicherheit …? An diesen Kontrast zwischen der Angst, die plötzlich in ihr aufstieg, und dem historischen und luxuriösen Hotel, in dem sie sich befand, konnte sie sich später sehr genau erinnern, das gute Essen schmeckte auf einmal wie Kaugummi. Sie dachte unwillkürlich an Krieg, und sie saß ausgerechnet im Peace Hotel. Sie rief nicht in Norwegen an, aber nach und nach erfuhren sie, was geschehen war. Sie beantwortete alle SMS mit denselben Worten, dass sie sich weit weg von Thailand und Indonesien befand, und bei ihr sei alles in Ordnung. Von Norwegen aus betrachtet waren Teile Asiens offenbar identisch mit dem ganzen Kontinent. Es dauerte lange, bis sie wieder Dim Sum essen konnte.
    Als sie zum Auto zurückging und die Stöcke noch immer hinter sich herschleifte, versuchte sie verbissen, alle vernünftigen Gründe aufzuzählen, warum sie sich diesen Mann aus dem Kopf schlagen konnte. Er hatte eine Tochter, sie selbst befand sich gerade in einer ruhigen Phase und war nicht in Eroberungsstimmung, er hatte eine Tochter, er hatte eine Tochter, er hatte eine Tochter, mehr fiel ihr nicht ein.
    Emma und ich kommen super zurecht.
    Vielleicht war wirklich keine Frau mit im Spiel? Keine Mama? Sie hatte sogar das Buch über Hunde von ihrem Vater bekommen, wurden Bücher sonst nicht von Müttern gekauft?

40
    Als sie nach Hause kam, duschte sie, obwohl sie gar nicht geschwitzt hatte. Sie schnitt sich den Daumennagel so weit wie möglich ab und klebte Pflaster um ihn herum, ihre Hände zitterten, vermutlich, weil es so höllisch wehtat. Sie hatte keine Kraft, sich die nassen Haare zu kämmen. Sie mischte sich einen Gin Tonic, streifte sich ihren Morgenrock über, legte Alison Krauss auf und spürte ein Zittern tief in ihrem Körper, das sie veranlasste, den großzügigen Drink sofort zur Hälfte zu leeren. Sie blieb ganz still stehen, bis sie merkte, dass der Alkohol sein Ziel erreicht hatte, sich im Körper ausbreitete und ihn auf verheißungsvolle

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