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Die Liebesangst - Ragde, A: Liebesangst

Die Liebesangst - Ragde, A: Liebesangst

Titel: Die Liebesangst - Ragde, A: Liebesangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne B. Ragde
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geschafft hätte. Was für Essen hatte im Backofen auf die beiden gewartet? Sie benutzte ihren Backofen nur für tiefgefrorene Fischgerichte und für Tiefkühlpizza.
    Sie entfernte Alison vom CD -Gerät und legte Dire Straits auf. Wann hatte sie zuletzt was gegessen? Sie konnte sich nicht daran erinnern, vielleicht in der Redaktion, vielleicht eine Art öde Salatscheißdrecksschüssel mit jeder Menge Dosenmais und Thousand Island. Und warum hatte sie ausgerechnet diese CD eingelegt? Das letzte Stück machte sie immer so deprimiert, es war einwandfrei kein Abend für Brothers in Arms , sie wechselte zu Timbuktu über. Unkomplizierte, pure Musik, keine Musik, die Gefühle auslöste, bloß Musik, die nur Begleitung und Energie war, das war jetzt angesagt, und vielleicht sollte sie nichts mehr trinken.
    Sie mischte sich noch einen Drink, hatte kein Tonic mehr, nahm stattdessen eiskaltes Wasser aus dem Hahn und Zitronensaft, überzeugte sich davon, dass die Wohnungstür abgeschlossen war, schaltete alle Lampen aus und ging bei hämmernder Musik ins Bett.
    Sie erwachte am nächsten Morgen mit einem fast vollen Drink neben sich auf dem Radiowecker. Sie blieb lange liegen und starrte das Glas an. Jetzt müsste Bjørn Gabrielsen von Dagens Næringsliv anrufen und fragen, was sie auf dem Nachttisch liegen habe. Zwei Eiswürfel in dieses Glas und sie hätte ein feines Frühstück und einen sanften Start in den Tag, dann könnte sie in der Redaktion anrufen und sich krank melden. Aber sie war keine, die blaumachte, das hätte bedeutet, dass sie die Kontrolle verloren hatte.

42
    Sie parkte an derselben Stelle wie am Vorabend, jetzt aber in frischgewaschenen Jeans und einem neuen weißen Fleecepullover. Sie hatte sich die Haare gewaschen, sie hoch oben am Hinterkopf zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden und ein wenig Rouge und Lipgloss aufgetragen. Die spätsommerliche Dunkelheit war dieselbe, allerdings würde es bald regnen, die Wolken zogen über das Fosenfjell. Siebenjährige frischgebackene Hundebesitzerinnen gingen vermutlich nicht gern im Regen spazieren, mussten sich zu Hause aber anhören, dass man mit einem Hund bei jedem Wetter vor die Tür musste. Essen im Ofen und morgen zur Schule, das hier war kein Vater, der die Dinge aus dem Ruder laufen ließ.
    Sie stakste mit den Stöcken den Weg entlang, rhythmisch und aufgesetzt professionell, während sie einen heftigen Zorn verspürte, dessen Ursprung sie aber nicht ergründen konnte. Sie begegnete mehreren Joggern, anderen jedoch als am Vorabend. Die Frau mit den Gummihandschuhhänden ließ sich nicht sehen, sicher saß sie vor einem Film auf TV 3, die Gummihände tief in einer Schüssel mit Kartoffelchips versenkt und zufrieden mit sich und der Welt.
    Ihr begegnete ein älterer Mann mit Stöcken, und sie täuschte ein Husten vor, als sie vorüberging. Seniorentreffen auf dem Ladesti, nein danke. Ein Jogger war mit einem Schäferhund unterwegs, andere Hunde waren nicht zu sehen. So langsam begriff sie, warum Jogger nicht lächelten. Das galt auch für die mit den Stöcken. Warum lächeln, wenn man Stunden seines Lebens mit vollständig sinnlosen Aktivitäten vergeudete?
    Unterhalb des Tannenhügels verließ sie den Weg und stieg den Hang hoch. Es tat gut, vom knirschenden Kiesgeräusch der Turnschuhe und der Stöcke befreit zu sein. Sie näherte sich vorsichtig, die Straßenbeleuchtung drang nicht bis zu ihr vor, auch die Lampen an den Bäumen nicht, sie stapfte durch die Dunkelheit. Sie hatte die Stöcke noch in den Händen, die Schlaufen an den Handgelenken, alles andere hätte lächerlich ausgesehen, wenn sie plötzlich aufgetaucht wären.
    Zwischen den Bäumen standen mehrere kleine Häuser. Wie ein winziger Hof, auf dem ein Gebäude nach dem anderen errichtet worden war, ohne Sinn und Ziel oder Funktion, fast wie eine Gruppe von Fischerbuden, in denen die Menschen nur übernachten und überleben sollten. Vielleicht war das ja der eigentliche Zweck der Häuser gewesen. Sie spürte, wie idyllisch es hier zu Weihnachten sein musste. Kleine Fenster, niedrige Dächer und Giebel, Kopfsteinpflaster zwischen den Häusern, hohes Gras und die Wiesenblumen des Spätherbstes vor den Hauswänden, Blumen, von denen sie nicht eine einzige benennen konnte.
    Es war kein Mensch zu sehen, aber aus einem Haus hörte sie leise Musik, sie konnte unmöglich feststellen, aus welchem, aber sie erkannte Neil Youngs Harvest . Bei Mülltonnen und Briefkästen lehnten Fahrräder aneinander, sie

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