Die Liebesangst - Ragde, A: Liebesangst

für eine Abtreibung sein sollte, würde sie wirklich in deep shit stecken.
    »Wer hat Sinéad O’Connors Nothing Compares 2 U geschrieben? You schreibt man hier mit einem großen U. Und ihren Namen schreib ich dir auf deinen Block.«
    Sie kritzelte den Namen auf Tonjes Block.
    »Okay. Und wer war das?«
    »Prince. Das Symbol. Oder wie zum Henker er sich gerade nennt. The Artist Formerly Known As Prince. Das googelst du dann nachher. Aber wenn du Prince unter die Antwort schreibst, dann wissen alle, wer gemeint ist.«
    »Ist das eine Frau oder ein Mann? Sinéad?«
    »Weißt du nicht, wer Sinéad O’Connor ist?«
    »Schimpf mich doch deshalb nicht aus. Ich ertrag das heute nicht.«
    »Ich schimpfe nicht, ich bring dir nur etwas bei. Sie ist eine irische Sängerin und Songschreiberin. Hat jede Menge selbst geschrieben, deshalb glauben unsere Leser vielleicht, dass auch das hier von ihr stammt. Verdammt gutes Video übrigens, sie singt das ganze Lied in Großaufnahme, mit Skinhead.«
    »Ach, dann weiß ich, wer das ist!«
    »Schön. MTV hat das beim Einmarsch in Kuwait 1990 immer wieder gespielt. Das war ihr Durchbruch. Wenn du eine Zusatzfrage brauchst.«
    »Ja, die bringen wir ja ab und zu.«
    Tonje schrieb eifrig mit.
    »Und dann noch eine, Ingunn. Du bist ein Schatz.«
    »So hat mich schon lange niemand mehr genannt. Und dabei hab ich nicht mal Spätdienst. Dann können wir eine über Whitesnake nehmen. Das wird in einem Wort geschrieben. Mal sehen … Wie können wir das formulieren? Was haben Whitesnake und Deep Purple miteinander zu tun?«
    »Okay. Und die Antwort?«
    »Whitesnake wurde 1977 von David Coverdale gegründet, und der war Sänger von Deep Purple. Als Zusatzfrage können wir nehmen, ob es noch weitere Verbindungen zwischen Whitesnake und Deep Purple gibt. Die Antwort ist, dass später auch noch Jon Lord und Ian Paice zu Whitesnake gestoßen sind, aus derselben Band. Dann hast du doch, was du brauchst? Viel Glück morgen beim Ultraschall.«
    »Gehst du jetzt?«
    »Ich war ja schon auf dem Heimweg, als du gekommen bist.«
    »Was hast du eigentlich gemeint mit quicklebendig ohne Wimperntusche?«
    Tonje schaute zu ihr auf. Sie war so jung, so unvorstellbar jung, nicht viel älter als eine Siebenjährige.
    »Wie alt bist du eigentlich?«
    »Fünfundzwanzig.«
    »Das war sehr gemein von mir. Es war nicht so gemeint.«
    »Aber es hat mich gar nicht verletzt! Ich versteh es nur nicht!«
    »Denk nicht mehr daran. Eigentlich hatte es gar nichts zu bedeuten. Ich hatte mir gerade selbst darüber Gedanken gemacht, kurz bevor ich nach Berlin musste. Vergiss es einfach, Tonje. Hatte nichts mit dir zu tun. Mach jetzt dein Quiz fertig, dann wird es gut. Sei Profi!«

60
    Es tat unendlich gut, sich in den Audi zu setzen, sie blieb eine ganze Weile still sitzen und spielte nur an den Autoschlüsseln herum. Ihr Leben war gar nicht so schlecht, verglichen mit dem der anderen. Sie musste wieder an den Punkt gelangen, dass sie ihr Leben wirklich genoss und diese Unruhe hinter sich lassen konnte. Sich an einen Mann schmiegen zu können und Nähe zu spüren, das bedeutete, alles zu verlieren, keine Entscheidungen mehr allein fällen, alles drehte sich um Koordinierung und Anrufe und Zusammenarbeit und Anpassungsfähigkeit und Kompromisse und im Waschbecken verschmierte Zahnpasta. Und am Ende konnte es passieren, dass er einfach ging, nachdem er sich über bizarre Möglichkeiten informiert hatte, seinen eigenen Tod vorzutäuschen, so war das.
    Alles hörte irgendwann einmal auf. Alles.
    Man ersparte sich unendlich viel Stress, wenn man Gefühlen aus dem Weg ging – in der Freizeit Müllsäcke zur Heilsarmee schleppen zu müssen, Flüge nach Stavanger mit unsicherem Ausgang, lange Zeiten mit anstrengender Spätschicht, um nur beruflicher Profi sein zu müssen. Eine volle Badewanne ohne Musik mit kühlschrankkalter Cola light, die sich in einem Schwall über einen glühend heißen Bauch ergießt. Und Kinder. Was sollte man mit vor Glück strahlenden kleinen Mädchen, die alles ruinierten? Die ihren Vater beim Spiel der Geschlechter behinderten?
    Sie ließ den Motor an, ohne jedoch loszufahren. Ihr Telefon steckte im Außenfach ihrer Handtasche.
    »Hallo, Alex, hier ist die Männermordende, was machst du gerade so?«
    Er stand vor der Fokusbank und fotografierte Passanten, die sich über den Zinssatz äußern sollten.
    »Klingt ja richtig aufregend. Du bist also in der Stadt?«
    Ja, er war noch nicht ins Ausland geschickt