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Die Liebesangst - Ragde, A: Liebesangst

Die Liebesangst - Ragde, A: Liebesangst

Titel: Die Liebesangst - Ragde, A: Liebesangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne B. Ragde
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worden, würde aber in drei Tagen nach Island aufbrechen, zu einer Reisereportage über Gletschertouren in riesigen Geländewagen.
    »Was machst du denn heute Abend?«
    Tja, dann würde er schon gern ein wenig ficken, er gehe davon aus, dass sie deshalb anrief, ja, denn sie hätte doch wohl nicht vor, zum Essen ins Credo einzuladen, jung wie er war? Außerdem sei er nicht so scharf auf dieses exquisite Essen, er wolle lieber satt werden.
    »Ein bisschen zu spät für den Mittagstisch im Credo, aber wir können auch das Drei-Gänge-Menü unten im Erdgeschoss nehmen, wenn du willst, das ist okay. Kein Problem, mich da mit dir zu zeigen, wir arbeiten doch zusammen. Aber wenn du kalte Kartoffelsuppe aus der Dose vorziehst, ist mir auch das recht. Und zu Hause hab ich sogar so etwas Avanciertes wie ein Spiegelei.«
    Aha, sie lockte ihn also mit Essen? Mit Dingen, die man in den Mund stecken konnte?
    »Nein, ich wollte nur deine Meinung hören. Aber vergiss es. Eigentlich habe ich die falsche Nummer erwischt, ich wollte Alexandersen anrufen, der mein Dachfenster reparieren soll. Tut mir leid, hab keine Brille auf, in meinem Alter braucht man eine Brille, weißt du. Viel Glück mit deinen Umfrageaufnahmen, eine davon wird bestimmt vom Verband der Pressefotografen zum Bild des Jahres gekürt, die werden es lieben, so tüchtig, wie du bist.«
    Sie drückte auf den roten Knopf, schaltete das Handy aus und fuhr los. Ein fieses Geräusch in der linken Vorderachse war zu hören, immer wenn sie über einen Huckel fuhr, gab es einen Ruck im Steuer, und dieses Geräusch ertönte, sie hasste falsche Geräusche im Auto, darauf reagierte sie überempfindlich. Vor einigen Jahren hatte sie einen Citroën Visa gehabt, dessen Zylinderkopf zum Teufel gegangen war, sie würde niemals das widerliche Geräusch von Wasser vergessen, das durch die Wand hinter dem Handschuhfach strömte, so hatte es zumindest geklungen. Seitdem konnte sie in jedem Auto eine geplatzte Zylinderkopfdichtung diagnostizieren, schon dreimal hatten Kollegen sie um Hilfe gebeten, und ihre erste Frage hatte jedes Mal gelautet, ob der Wagen nicht mehr anzog, wenn sie aufs Gas traten. Wenn die Antwort positiv war, konnte sie sicher sein. »Das ist der Zylinderkopf«, sagte sie dann, »und es wird teuer, wenn du keine Vollkasko hast.«
    Sie hatte eine leidenschaftliche Beziehung zu ihren eigenen Autos, die waren eine Erweiterung ihrer eigenen Kräfte und Stärken, viele Male multipliziert mit Pferden, und Pferde waren starke Tiere, elegante, kraftvolle Tiere, die man lenken konnte, wohin man wollte, aber nur, wenn man mit ihnen zusammenarbeiten konnte, und das konnte sie, eine Pferdeschar unter der Motorhaube war wohl das Mindeste, was sie in eine Richtung dirigieren konnte.
    Die Buchhaltung der Zeitung akzeptierte kein Ticket für Langzeitparken auf der Reisekostenabrechnung, sondern betrachtete das als Privatvergnügen. In Værnes zu landen, ohne von ihrem eigenen Auto erwartet zu werden, wäre unvorstellbar; sie war zu Hause, wenn das Fahrgestell des Flugzeugs auf den Boden auftraf, weil ihr Auto auf sie wartete. Aber nie hatte sie sich einem Auto so nah gefühlt wie diesem Audi. Und diese Geräusche gefielen ihr überhaupt nicht.
    Wenn sie jetzt ihr Handy einschaltete, hätte er garantiert schon eine Mitteilung hinterlassen, davon war sie überzeugt, sie hatte ihn einmal zu oft kastriert, und er war doch erst fünfundzwanzig, evolutionsmäßig nicht an Widerstand gewöhnt. Wer an Widerstand gewöhnt war, tätowierte sich keine japanischen Drachen auf den Körper. Tätowierte Drachen verrieten eine tiefe Sehnsucht oder total unrealistische, übersteigerte Ambitionen.
    Sie blieb lange im Stau vor der Sluppenbrücke stehen, aber das machte ihr nicht das Geringste aus. Etwas würde passieren, und obwohl sie nicht wusste was, hatte sie die Kontrolle darüber. Sie schaltete das Radio ein und trommelte den Takt zu einem Stück von Madonna, obwohl sie Madonna nicht ausstehen konnte, etwas an der Art, wie sie versuchte, ihre Stimme zu einem afroamerikanischen Sound zu zwingen, das passte einfach nicht zu ihr. Es war keine glaubwürdige Stimme.

61
    Auch als sie nach Hause kam, schaltete sie ihr Handy nicht ein.
    Trotzdem klingelte es. Und zwar an der Haustür, er stand davor. Lange hielt sie den Hörer der Gegensprechanlage in der Hand und sah sein hektisches, eifriges und zugleich verlegenes Gesicht in dem kleinen schwarzweißen Bildschirm an der Wand. Hier konnte man wirklich

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