Die Liebeshandlung
und Installationen funktionierten. Den ganzen Sommer über Leonards karg möblierte Wohnung zu teilen hatte sich eher nach Hausbesetzen als nach Zusammenleben angefühlt. Aber als sie den Fuß über die Schwelle ihres neuen Domizils am Wasser setzten, hatte das etwas von aufregendem Frischverheiratetsein. Leonard hörte augenblicklich auf, sich wie ein von Madeleine versorgter Pflegefall zu fühlen, und kam sich allmählich wieder wie er selbst vor.
Sein erneuertes Selbstbewusstsein hielt bis zum Begrüßungsessen am Sonntagabend. Auf Madeleines Drängen hin hatte er Schlips und Jackett angezogen. Er rechnete damit, zu förmlich gekleidet zu sein, doch als sie in die an den Speisesaal angrenzende Bar kamen, trugen alle Männer Jackett und Krawatte, und Leonard kam nicht umhin, Madeleines Fähigkeit zu bewundern, solche Dinge zu erahnen. Sie holten sich ihre Namensschilder und Tischkärtchen ab und schlossen sich dem steifen Cocktailempfang an. Noch keine zehn Minuten hatten sie sich unter die Leute gemischt, als die zwei anderen Stipendiaten ankamen, die Leonards Teamzugeteilt worden waren, und sich vorstellten. Carl Beller und Vikram Jaitly kannten sich schon vom M.I.T. Obwohl sie nicht länger in Pilgrim Lake waren als Leonard (also zwei Tage), verströmten sie ein Gefühl von Allwissenheit über das Labor und seinen Betrieb.
«Sag mal», fragte Beller, «was hast du als deine bevorzugten Forschungsbereiche angegeben? Erste Wahl.»
«Krebs», sagte Leonard.
Beller und Jaitly schien das zu amüsieren.
«Das hat jeder angegeben», sagte Jaitly. «Ungefähr neunzig Prozent.»
«Also passiert ist Folgendes», erklärte Beller. «Krebs war so überbelegt, dass sie vielen ihre zweite oder dritte Wahl zugeteilt haben.»
«Und wo sind wir jetzt?»
«Bei Genomik und Bioinformatik», sagte Beller.
«Das kam bei mir als Letztes», sagte Leonard.
«Wirklich?», sagte Jaitly, offenbar überrascht. «Bei den meisten kam Quantitative als Letztes.»
«Wie findest du Hefelabors?», fragte Beller.
«Ich habe eine Schwäche für
Drosophila
», sagte Leonard.
«Pech. Hefe ist in den nächsten neun Monaten unsere Welt.»
«Ich bin einfach froh, hier zu sein», sagte Leonard aufrichtig.
«Na klar, das macht sich toll in unserem Lebenslauf», sagte Jaitly und schnappte sich ein Häppchen von einem vorbeischwebenden Tablett. «Außerdem sind die leiblichen Annehmlichkeiten erheblich. Aber sogar an einem solchen Ort kann man forschungsmäßig auf dem Abstellgleis landen.»
Wie alle anderen Forschungsstipendiaten hatte Leonard gehofft, dem Team eines bekannten Biologen, vielleicht sogarDr. Malkiel selbst, zugewiesen zu werden. Als ihr Teamleiter aber ein paar Minuten später auftauchte und Leonard auf sein Schild schielte, kannte er den Namen nicht. Bob Kilimnik war ein Mann über vierzig mit lauter Stimme und geringem Interesse an Augenkontakt. Sein Tweedjackett sah für das herrschende Wetter zu warm aus.
«Da ist also die Gang beisammen», sagte Kilimnik. «Willkommen im Pilgrim-Lake-Labor.» Er machte eine ausladende Armbewegung und zeigte auf den aufwendigen Speisesaal, die Kellner in weißen Jacketts und die mit Wildblumensträußchen geschmückten Tischreihen. «Gewöhnt euch nicht daran. So sieht Forschung normalerweise nicht aus. Meistens ist es bloß Stehpizza und Nescafé.»
Verwaltungsassistenten begannen, alle in den Speisesaal zu treiben. Nachdem sie Platz genommen hatten, teilte ihnen der Kellner mit, es gebe Hummer. Außer Madeleine saßen noch Bellers Frau Christine und Jaitlys Freundin Alicia am Tisch. Es freute Leonard enorm festzustellen, dass Madeleine hübscher als beide war. Alicia lebte in New York und beklagte sich darüber, dass sie gleich nach dem Abendessen zurückfahren musste. Christine wollte wissen, ob noch jemand in seinem Apartment ein Bidet hatte und wie man damit umging. Während die Vorspeisen gereicht wurden und eine Flasche Pouilly-Fuissé kursierte, fragte Kilimnik Beller und Jaitly nach verschiedenen Biologieprofessoren am M.I.T., die er alle persönlich zu kennen schien. Als das Hauptgericht kam, ging er dazu über, die Details seiner Hefeforschung zu erläutern.
Es gab zahlreiche Gründe für Leonards Unfähigkeit, dem, was Kilimnik sagte, in jedem Punkt zu folgen. Erstens war er wegen der Anwesenheit von Dr. Malkiel, der, während Kilimnik sprach, ganz hinten im Speisesaal erschien, ein bisschenhin und weg. Elegant, das graue Haar aus der hohen Stirn zurückgekämmt,
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