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Die Liebeshandlung

Die Liebeshandlung

Titel: Die Liebeshandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Eugenides
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hinter der Theke arbeitender Teenager. Das Mädchen hatte rotes Haar, hohe Wangenknochen und trug einen engen gelben Pulli.
    «Kann ich Ihnen helfen?»
    «Ja. Ich habe eine Frage. Kann man jetzt noch Wale beobachten?»
    «Hm, ich weiß nicht.»
    «Aber es gibt noch Schiffe, die zum Walebeobachten rausfahren, oder?»
    «Ich glaube, das ist irgendwie mehr im Sommer.»
    «Ach so!», erwiderte Leonard, der nicht wusste, was er als Nächstes sagen sollte. Er war sich intensiv bewusst, wieschmal und vollkommen der Körper des Mädchens war. Zugleich erinnerte ihn der Zuckergeruch im Laden an ein Süßwarengeschäft, in das er als Kind oft gegangen war, ohne Geld, sodass er sich nichts kaufen konnte. Jetzt tat er so, als interessierte er sich für die Toffees in den Regalen, und sah sich mit hinter dem Rücken verschränkten Armen darin um.
    «Ihre Mütze gefällt mir», sagte das Mädchen.
    Leonard drehte sich um und lächelte breit. «Ach ja? Danke. Sie ist ganz neu.»
    «Trotzdem, frieren Sie nicht ohne Mantel?»
    «Nicht hier drin mit dir», sagte Leonard.
    Seine Sensoren registrierten eine leicht erhöhte Vorsicht ihrerseits, weshalb er schnell hinzufügte: «Wie kommt es, dass ihr im Winter geöffnet habt?»
    Das erwies sich als guter Schachzug. Es gab dem Mädchen Gelegenheit, Luft abzulassen. «Weil mein Vater mir das Wochenende verderben will», sagte sie.
    «Der Laden gehört deinem Vater?»
    «Ja.»
    «Dann bist du so was wie die Toffee-Erbin.»
    «Ich nehm’s an», sagte das Mädchen.
    «Weißt du, was du deinem Dad sagen solltest? Du solltest ihm sagen, es ist Dezember. Kein Mensch will im Dezember Salzwassertoffees.»
    «Genau
das
sage ich ihm ja. Er meint, am Wochenende kommen immer noch Leute, deshalb sollten wir geöffnet bleiben.»
    «Wie viele Kunden waren heute hier?»
    «Ungefähr drei. Und jetzt Sie.»
    «Betrachtest du mich als Kunden?»
    Skeptisch werdend, verlagerte sie ihr Gewicht auf eine Hüfte. «Na ja, Sie sind nun mal hier.»
    «Ich bin eindeutig hier», sagte Leonard. «Wie heißt du?»
    Sie zögerte. «Heidi.»
    «Hi, Heidi.»
    Vielleicht lag es an ihrem Erröten oder an ihrem eng anliegenden Pulli, oder es gehörte einfach dazu, wenn man Superman in Reichweite eines Supergirls war, jedenfalls merkte Leonard, dass er rasant einen Steifen bekam. Das war eine bedeutsame klinische Erkenntnis. Er wünschte, er hätte sein Moleskin-Notizbuch dabeigehabt, um sie schriftlich festzuhalten.
    «Heidi», sagte Leonard. «Hi, Heidi.»
    «Hallo», sagte sie.
    «Hi, Heidi», wiederholte er. «Hi-dee-ho. Der Hi-Dee-Ho-Mann. «Hast du schon mal vom Hi-Dee-Ho-Mann gehört, Heidi?»
    «Hmm.»
    «Cab Calloway. Ein berühmter Jazzmusiker. Der Hi-Dee-Ho-Mann. Ich weiß nicht, warum er so genannt wurde. Hiho, Silver. Hawaii-Five-O.»
    Ihre Stirn legte sich in Falten. Er sah, dass sie ihm nicht folgen konnte, und sagte deshalb: «Ich freue mich, dich kennenzulernen, Heidi. Sag mir doch bitte eins. Macht ihr die Salzwassertoffees hier im Laden?»
    «Im Sommer schon. Jetzt nicht.»
    «Und benutzt ihr Salzwasser aus dem Ozean?»
    «Hä?»
    Er trat nahe genug an die Theke, um seinen Ständer gegen die Glasfront zu pressen.
    «Ich habe mich schon immer gefragt, weshalb sie
Salzwassertoffees
genannt werden. Benutzt ihr Salz
und
Wasser oder benutzt ihr
Salzwasser

    Heidi trat einen Schritt von der Theke zurück. «Ich habhinten was zu tun», sagte sie. «Also, wenn Sie etwas möchten.»
    Aus irgendeinem Grund verneigte Leonard sich. «Dann mal los», sagte er. «Ich habe nicht vor, dich von der Arbeit abzuhalten. Es war nett, dich kennengelernt zu haben, HeidiHo. Wie alt bist du?»
    «Sechzehn.»
    «Hast du einen Freund?»
    Sie schien es nicht sagen zu wollen. «Ja.»
    «Er ist ein Glückspilz. Er sollte jetzt hier sein und dir Gesellschaft leisten.»
    «Mein Dad wird gleich zurückkommen.»
    «Schade, dass ich ihm nicht begegnen werde», sagte Leonard, gegen die Theke gepresst. «Ich könnte ihm sagen, er soll aufhören, dir die Wochenenden zu verderben. Aber bevor ich gehe, kaufe ich mir, denke ich, ein paar Toffees.»
    Wieder sah er die Regale durch. Als er sich vorbeugte, fiel seine Mütze herunter, und er fing sie auf. Perfekte Reflexe. Wie Fred Astaire. Wenn er wollte, konnte er sie durch die Luft wirbeln und mit dem Kopf wieder auffangen.
    «Salzwassertoffees sind immer pastellfarben», kommentierte er. «Weshalb ist das so?»
    Diesmal antwortete Heidi gar nicht.
    «Weißt du, was ich glaube, Heidi? Ich

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