Die Liebeshandlung
Deine verrückten Wünsche es sprengen.
Woher ich das weiß? Sagen wir einfach, dass ich auf meiner Reise innere Zustände kennengelernt habe, die den Abstand zwischen Menschen einschmelzen. Manchmal bin ich Dir, obwohl wir physisch so weit voneinander entfernt sind, sehr nahe gekommen, bis in Dein Innerstes. Ich kann fühlen, was Du fühlst. Von hier aus.
Ich muss schnell machen. Ich muss einen Nachtzug erreichen und habe gerade bemerkt, dass es an den Rändern meines Blickfelds ein wenig zu sprühen beginnt.
Nun wäre es nicht fair von mir, Dir das alles zu erzählen, ohne Dir eine Art Vorschlag zu machen, über den Du nachdenken kannst. Man könnte es auch ein Angebot nennen. Es liegt allerdings in der Natur dieses Angebots, dass ein junger Gentleman (sogar einer wie ich, der keine Unterwäsche mehr trägt) es nicht gut einem Brief anvertrauen kann. Es ist etwas, was ich Dir persönlich sagen muss.
Ich weiß nicht genau, wann das sein wird. Seit drei Wochen bin ich jetzt in Indien und habe außer Kalkutta nichts gesehen. Ich möchte an den Ganges, und dahin fahre ich als Nächstes. Ich möchte noch Neu Delhi und Goa besuchen (wo der unzerstörbare Leichnam des heiligen Franz Xaver in einer Kathedrale aufgebahrt liegt). Ich bin wild auf Rajasthan und Kaschmir. Larry plant immer noch, im März für unsere Forschungsassistenz bei Prof. Hughes nachzukommen (wart’s ab, bis ich Dir von Larry erzähle!). Kurzum, ich schreibe Dir diesen Brief, weil mir, wenn Du tatsächlich in Stadium eins bist, womöglich nicht mehr Zeit genug bleibt, die Vorgänge persönlich zu unterbrechen. Ich bin zu weit weg, um mit meinem Sportwagen über die Bay Bridge zu rasen und die Trauung zu sprengen (und niemals würde ich die Tür mit einem Kruzifix blockieren).
Ich weiß nicht, ob dieser Brief Dich erreichen wird. Mit anderen Worten, ich muss auf den Glauben vertrauen, was ich in letzter Zeit mit begrenztem Erfolg versucht habe.
Dieses Bhang-Lassi ist wirklich ganz schön stark. Ich habe nach der letzten Realität gesucht, aber im Augenblick gibt es einige profane Realitäten, mitdenen ich mich begnügen würde. Dazu kein Wort. Aber es gibt in Princeton einen Masterstudiengang Anglistik. Und Yale und Harvard haben eine Divinity School. Es gibt in New Jersey und New Haven miese kleine Wohnungen, wo zwei fleißige Menschen gemeinsam fleißig sein könnten.
Aber nichts davon. Noch nicht. Nicht jetzt. Bitte schreibe alles Unpassende, das ich hier notiert habe, der Macht des bengalischen Fruchtshakes zu. Ich wollte Dir wirklich nur eine kurze Mitteilung schreiben. Eine Ansichtskarte hätte es auch getan. Ich wollte nur eines sagen.
Heirate den Kerl nicht.
Tu’s nicht, Mad. Ja nicht.
Als er dann hinausging, war es Abend geworden. Menschenmassen bewegten sich mitten auf der Straße voran, gelbe Glühlampen waren über ihre Köpfe gespannt wie eine Karnevalsbeleuchtung. Musikverkäufer bliesen in ihre Holzpfeifen und Plastikposaunen, um Kunden anzulocken, und die Restaurants hatten geöffnet.
Mitchell lief unter den gewaltigen Bäumen entlang; in seinem Kopf summte es. Die Luft an seinem Gesicht fühlte sich weich an. In gewisser Weise war das Bhang überflüssig. Die Fülle von Empfindungen, die ihn bombardierte, als er an der Ecke ankam – das unaufhörliche Hupen der Taxis, das Tuckern der Lkw-Motoren, die Rufe der ameisengleichen Männer, die bis oben hin mit Rüben oder Schrott gefüllte Karren schoben –, hätte ihn schwindlig werden lassen, selbst wenn er mitten am Tag völlig nüchtern gewesen wäre. Es war wie noch ein Rausch auf einen Schwips. Mitchell war so gebannt, dass er vergaß, wo er hinwollte. Er hätte die ganzeNacht an der Ecke stehen bleiben und beobachten mögen, wie der Verkehr sich einen weiteren Meter vorwärtsbewegte. Doch plötzlich kam von der Peripherie seines Sichtfeldes her eine Rikscha angeschossen und hielt neben ihm. Der Wallah, ein ausgemergelter dunkler Mann mit einem um den Kopf gewickelten grünen Handtuch, winkte Mitchell zu und zeigte auf den leeren Sitz. Mitchell schaute noch einmal auf die undurchdringliche Mauer des Verkehrs. Er schaute auf den Sitz. Und schon kletterte er darauf.
Der Wallah beugte sich hinunter, um die langen Holzgriffe der Rikscha in die Hände zu nehmen. Schnell wie ein Läufer beim Startschuss preschte er los in den Verkehr.
Lange bewegten sie sich im Zickzack durch den Stau. Der Wallah schlängelte sich zwischen den Fahrzeugen hindurch. Sooft er einen
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