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Die Liebeshandlung

Die Liebeshandlung

Titel: Die Liebeshandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Eugenides
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Pisse.»
    «Na gut, du musst es ja wissen», sagte Thurston.
    Und damit lotste er Madeleine fort. Er führte sie aus der Küche und durch den Eingangsflur zurück, winkte ihr, ihm nach draußen zu folgen. Als sie auf der Veranda standen, öffneteer seine Bikerjacke und brachte, innen versteckt, zwei Flaschen Grolsch zum Vorschein.
    «Wir machen lieber, dass wir wegkommen», sagte er.
    Sie tranken das Bier, während sie die Thayer Street entlangliefen, vorbei an Lokalen voller graduierender Studenten. Als das Bier alle war, ging es zur Grad Center Bar und von der Grad Center Bar weiter Richtung Downtown, per Taxi zur Bar eines alten Mannes, den Thurston mochte. Die Bar hatte ein Box-Thema, Schwarzweißfotos von Marciano und Cassius Clay an den Wänden, ein Paar Everlast-Boxhandschuhe mit Autogramm in einem verstaubten Kasten. Eine Weile tranken sie Wodka mit gesunden Fruchtsäften. Dann überfiel Thurston eine nostalgische Erinnerung an etwas, was sich Sidecar nannte, ein Getränk, das er auf Skiausflügen immer mit seinem Vater getrunken hatte. Er zog Madeleine an der Hand die Straße hinunter und über den Platz ins Biltmore-Hotel. Dort wusste der Barmann nicht, wie man einen Sidecar machte. Thurston musste ihn anleiten und verkündete großspurig: «Sidecar ist das perfekte Wintergetränk. Brandy, um die Innereien zu wärmen, und Zitrus, um Erkältungen abzuwehren.»
    «Es ist nicht Winter», sagte Madeleine.
    «Dann tun wir eben so, als ob.»
    Irgendwann später, als Thurston und Madeleine Arm in Arm den Bürgersteig entlangschwankten, spürte sie, wie er seitwärtstorkelte, in noch eine andere Bar.
    «Ein reinigendes Bier ist in Ordnung», sagte er.
    Während der nächsten paar Minuten erklärte Thurston seine Theorie – aber es war gar nicht so sehr eine Theorie, es war Weisheit aus Erfahrung, erprobt und bestätigt von Thurston und seinem Mitbewohner aus Andover, der, nachdem sie große Mengen «Hochprozentiges» hinuntergeschüttet hatten,meistens Bourbon, aber auch Scotch, Gin, Wodka, Southern Comfort, so ungefähr alles, was ihnen in die Hände fiel oder sie aus den «elterlichen Kellern» mitgehen lassen konnten, eine Zeitlang Blue Nun, im «Liebfraumilch-Winter», als ihnen das Chalet eines Freundes im Skigebiet von Stowe zur Verfügung stand, und einmal auch Pernod, weil sie gehört hatten, von den erhältlichen Sachen sei der am ehesten wie Absinth, und sie Schriftsteller werden wollten und unbedingt Absinth brauchten – Aber er schweifte ab. Er erlaubte seiner Schwäche für Exkurse, mit ihm durchzugehen. Und so erklärte er, während er auf einen Barhocker sprang und dem Barmann Zeichen gab, dass in jedem Fall, bei jedem einzelnen dieser «Rauschmittel», ein oder zwei Bier
danach
immer helfen würden, die Heftigkeit des mörderischen Katers, der unvermeidlich folgte, abzuschwächen.
    «Ein reinigendes Bier», sagte er wieder. «Das ist es, was wir brauchen.»
    Mit Thurston Zeit zu verbringen war ganz und gar nicht wie mit Leonard. Mit Thurston war es wie mit ihrer Familie. Wie mit Alton, der so pedantisch war, wenn es um seine Kurzen ging, so abergläubisch an der Regel festhielt, Wein auf Korn zu trinken.
    Wenn Leonard über die Trinkgewohnheiten seiner Eltern sprach, drehte sich alles immer nur darum, dass Alkoholismus eine Krankheit war. Aber Phyllida und Alton tranken eine Menge und schienen relativ unbeschadet und verantwortungsvoll zu sein.
    «Na gut», stimmte Madeleine zu. «Ein reinigendes Bier.»
    Und wäre es nicht schön gewesen? Zu glauben, dass ein kaltes Budweiser – hier gab es die Longneck-Flaschen; Thurston war nicht ohne Grund in diese Bar gefallen – die Auswirkungen einer ganzen durchzechten Nacht wegspülenkonnte, hatte etwas Magisches. Und wenn schon Magie, weshalb es dann bei einem einzigen Bier belassen? Es war die Zeit weit nach Mitternacht, die Zeit für zwei junge Leute, beim Barmann Münzen einzuwechseln und über der Musikbox-Auswahl zu brüten, sodass die Köpfe sich beim Lesen der Songtitel berührten. Es war dieser zeitlose Teil der Nacht, in dem es absolut notwendig wurde, «Mackie Messer», «I Heard It Through the Grapevine» und «Smoke on the Water» zu spielen, um zwischen den Tischen der ansonsten leeren Bar zu tanzen. Ein reinigendes Bier würde die Gedanken an Leonard vielleicht verdrängen und Madeleine gegen die Verlassenheitsgefühle und Zweifel an ihrer Attraktivität betäuben. (Und war Thurstons Gekuschel nicht weiterer Balsam?) Das Bier schien

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