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Die Liebeshandlung

Die Liebeshandlung

Titel: Die Liebeshandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Eugenides
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anfangen?»
    «Nein, aber   … denk mal drüber nach. Es bedeutet doch, das erste Geständnis
besagt
etwas.»
    Ein Leuchten trat in Madeleines Augen. «Dann hat sich das für mich erledigt», sagte sie.
    «Für mich nicht», sagte Leonard, ihre Hand haltend. «Für mich nicht.»

Pilger
    M itchell und Larry kamen Ende August in Paris an, nach einem Sommer voller Langeweile und mieser Jobs.
    In Orly, als Mitchell seinen Rucksack vom Gepäckband nahm, taten ihm die Arme von den Impfungen weh, die er zwei Tage zuvor in New York bekommen hatte: Cholera auf der rechten, Typhus auf der linken Seite. Während des gesamten Fluges hatte er sich fiebrig gefühlt. Ihre Holzklassensitze befanden sich in der letzten Reihe, gleich neben den stinkenden Toiletten. Mitchell hatte unruhig die lange transatlantische Nacht verdämmert, bis die Kabinenbeleuchtung aufflackerte und eine Stewardess ihm ein halbgefrorenes Croissant vor die Nase schob, an dem er trotzdem knabberte, als der große Jet über der Hauptstadt in den Landeanflug ging.
    Gemeinsam mit überwiegend französischen Staatsangehörigen (die Touristensaison neigte sich dem Ende zu) bestiegen sie einen unklimatisierten Bus und glitten lautlos über glatte Schnellstraßen in die Stadt. Am Pont de l’Alma, wo sie ausstiegen, holten sie ihre Rucksäcke aus dem Laderaum und fingen an, die heller werdende Avenue entlangzutrotten. Larry, der Französisch sprach, ging voran und suchte den Weg zu Claires Wohnung, während Mitchell, der keine Freundin in Frankreich oder sonst irgendwo hatte, sich nicht besonders anstrengte, sie an ihr Ziel zu bringen.
    Der Jetlag verstärkte seinen leichten Fieberwahn. Der Uhr nach war es Morgen, aber in seinem Körper tiefste Nacht.Die aufgehende Sonne zwang ihn, die Augen zusammenzukneifen. Das kam ihm irgendwie unfreundlich vor. Trotzdem, auf Straßenniveau war alles so hergerichtet, dass es dem Auge gefiel. Die Bäume standen prall im spätsommerlichen Laub. Sie trugen Eisengitter um ihre Stämme, wie Schürzen. Die Breite des Bürgersteigs bot Platz für Zeitungskioske, Spaziergänger mit Hund und schicke zehnjährige Mädchen unterwegs in den Park. Von der Bordsteinkante stieg ein scharfer Tabakgeruch auf, der genau so war, wie Mitchell sich vorgestellt hatte, dass Europa riechen würde, erdig, raffiniert und ungesund zugleich.
    Mitchell hatte ihre Reise nicht in Paris beginnen lassen wollen. Mitchell wäre lieber nach London gefahren, wo er das Globe Theatre besucht, Bass Ale getrunken und verstanden hätte, was die Leute sagten. Aber Larry hatte zwei spottbillige Tickets für einen Charterflug nach Orly gefunden, und da ihr Geld für die nächsten neun Monate reichen musste, hatte Mitchell kaum etwas dagegen einwenden können. Er hatte nichts gegen Paris an sich. Zu jeder anderen Zeit hätte er sich darum gerissen, nach Paris zu fahren. Das Problem mit Paris im vorliegenden Fall war, dass Larrys Freundin ein Auslandsjahr dort machte und sie in ihrer Wohnung wohnen würden.
    Auch das war die billigste Lösung. Und darum unanfechtbar.
    Während Mitchell am Hüftgurt seines Rucksacks herumfummelte, stieg sein Fieber um ein gefühltes halbes Grad.
    «Ich bin mir nicht sicher, ob ich die Cholera oder Typhus ausbrüte», sagte er zu Larry.
    «Wahrscheinlich beides.»
    Für Larry besaß Paris, abgesehen von den romantischenGelegenheiten, auch deshalb einen großen Reiz, weil er frankophil war. Er hatte als Highschool-Schüler einen Sommer lang in der Normandie in einem Restaurant gearbeitet, wo er die Sprache und Gemüseschnippeln lernte. Am College hatten seine Französischkenntnisse ihm ein Zimmer im French House eingebracht. Die Stücke, die Larry im Studententheater inszenierte, stammten unvermeidlich von Dramatikern der französischen Moderne. Seit Mitchell an das Ostküsten-College gekommen war, hatte er versucht, den Mittelwesten abzustreifen. Bei Larry im Zimmer zu hocken, den schlammigen Espresso zu trinken, den Larry zubereitete, und ihn übers «Theater des Absurden» reden zu hören hielt er für eine gute Art und Weise, damit anzufangen. In seinem schwarzen Rollkragenpullover und den schmalen weißen Leinenschuhen sah Larry ohnehin so aus, als käme er nicht von einem Geschichtskurs, sondern geradewegs aus dem Actors Studio zurück. Er hatte bereits eine vollentwickelte Erwachsenensucht nach Koffein und
foie gras
. Anders als Mitchells Eltern, deren Begeisterung für Kunst über Ethel Merman oder Andrew Wyeth nicht hinausging,

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