Die Liebeslist
oder nicht. Eure Leute sollen es sich anderswo gemütlich machen.“ Rosamund nickte nachdrücklich und rauschte mit gerafften Röcken an ihm vorbei, ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen.
Als wäre er Luft!
Verdutzt starrte Gervase hinter ihr her. Aha, also schon wieder mit dem Kopf durch die Wand, was? Freilich, was den Zustand des Saales anbetraf, war er durchaus ihrer Meinung. Das hätte wohl jeder anständige Mensch so gesehen. Eins allerdings kam nicht infrage: dass sie mit ihm oder seinen Männern auf diese Weise umsprang. Allmählich wurde es Zeit, ihr beizubringen, dass er sich nicht herumkommandieren ließ. Nachdenklich trommelte er mit den Fingerkuppen auf den Knauf seines Schwertes. Er musste einräumen, dass sein Feldzug durchaus seine Tücken hatte und bisher nicht ganz reibungslos verlief. Betrachtete man diesen erneuten Wortwechsel, aus dem sie ganz ohne Zweifel siegreich hervorgegangen war, stand ihm anscheinend noch eine geharnischte Auseinandersetzung bevor.
„Tod und Teufel! Warum muss sie bloß dauernd ihren Willen durchsetzen? Konnte doch wenigstens warten, bis es aufhört zu regnen! Setzt uns einfach an die Luft …“
„Mylord?“
Überrascht fuhr er herum und erblickte die Countess. Aufs Feinste herausgeputzt, den Kopf wie ein Rotkehlchen schräg gelegt, musterte sie ihn prüfend und auch ein wenig belustigt. Ein völlig anderes, sanfteres weibliches Wesen – bis er in ihre milden graugrünen Augen sah. Die erinnerten ihn an … ja, an dieses Satansweib, das sich ihm eben widersetzt hatte. Fast hatte er den Eindruck, als wolle das Rotkehlchen sich einen schmackhaften Ringelwurm schnappen.
„Eure Tochter, Mylady …“ Die Miene finster verzogen, hielt Gervase nicht hinter dem Berg. „Ist die immer so schwierig? Man könnte auch sagen ‚eigensinnig‘.“
„Ja … nein.“ Die Lippen der Countess zuckten. „Na ja, mitunter schon.“
Gervase lachte schallend. Sein Interesse war geweckt. „Ihr seid offenbar eine Freundin deutlicher Worte.“
Petronilla straffte die Schultern. „Vielleicht muss ich Rosamund in Schutz nehmen“, gab sie zurück, ebenso unerschrocken wie ihre Tochter. „Sie kann sehr unverblümt sein, wenn ihre Gefühle mit ihr durchgehen.“
„Dann werde ich fortan tunlichst vermeiden, ihr zu nahe zu treten.“
„Das wird aber nicht leicht, Mylord.“
„Kann ich mir denken.“
Sie zögerte, überraschte ihn jedoch, indem sie ihm begütigend die Hand auf den Arm legte.. „Ihr könntet mildernde Umstände walten lassen. In letzter Zeit hatte sie es nicht leicht.“
„Ich nicht minder.“
„Aber Ihr führt hier das Kommando, Ihr habt das letzte Wort. Meine Tochter nicht. Sie wird ein wenig Zeit brauchen, bis sie das begriffen hat. Vielleicht übt Ihr Euch ein wenig in Geduld.“
Gervase stellte fest, dass sein Zorn unter dem Druck der schmalen Hand verraucht war – eine gefährliche Situation. Anscheinend war die Witwe des Earl unter ihrer sanftmütigen Schale eine geschickte Vermittlerin. Das musste er sich merken.
Er bedeckte ihre Hand mit der seinen. „Lady Petronilla, Ihr seid die Vernunft in Person. Wieso hat Eure Tochter nicht mehr von Euch?“
„Sie hat eben ihr eigenes Wesen“, sagte Petronilla gelassen, „und das gefällt mir an ihr.“
„Euer Rat ist vermutlich von unschätzbarem Wert, Lady Petronilla. Ich nehme ihn dankend an.“ Im allerletzten Moment konnte er sich gerade noch zurückhalten, sonst hätte er ihr womöglich in aller Form die Hand geküsst. Eine solche Ehrerweisung hätte indes wohl nicht zu einem Wegelagerer gepasst, zumal einem, der beabsichtigte, zwei wehrlosen Frauen das Leben schwer zu machen. „Ihr seid schön und klug zugleich“, fügte er noch hinzu. Hugh de Mortimer, so fiel ihm dabei ein, musste auf sich aufpassen.
„Das gilt in gleicher Weise für meine Tochter“, erwiderte die Witwe, die bei dem unerwarteten Kompliment heftig errötete.
„Wäre sie klug, hätte sie Clifford schon längst den Rücken gekehrt“, erwiderte er brüsk. „Vielleicht legt Ihr Eurer Tochter nahe, ihren gesunden Menschenverstand einzusetzen und mir fürderhin aus dem Wege zu gehen.“
Fest entschlossen, seiner Widersacherin eine Falle zu stellen, verfolgte Gervase mit den Augen, wie Rosamund, der Stachel in seinem Fleisch, vorsichtig den Burghof überquerte, die Röcke penibel gerafft, damit der Saum nicht durch den Matsch schleifte. Auf diese Weise erlaubte sie Gervase ungewollt einen Blick auf ihre zierlichen
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