Die Liebeslist
aromatisch duftende Päckchen heraus und nahm die Kranke erst einmal in Augenschein. Danach verabreichte sie ihr eine Prise in Ale gerührtes Eisenkraut, verbunden mit einem Zaubersprüchlein, das sie der Patientin ins Ohr flüsterte. Zu guter Letzt nahm sie dann noch eine Walnuss, die sie hörbar auf der Feuerstelle in Stücke knackte. „Schützt vorzüglich gegen Durchfall, Mylady“, dozierte sie dabei, woraufhin Petronilla in einen unruhigen Schlaf fiel.
„Wird sie … wird sie denn bald wieder gesund?“, fragte Rosamund bang.
„Morgen wird Eure Frau Mutter schon auf dem Wege der Besserung sein. Achtet darauf, dass sie regelmäßig ihre Arznei einnimmt. Ist bloß ein Bauchgrimmen“, versicherte die Heilerin. „Schaut nur. Sie kriegt bereits wieder etwas Farbe in die Wangen.“
Nunmehr fühlbar erleichtert, konnte Rosamund die Wache am Krankenbett der Zofe Edith überlassen, die sich, bewaffnet mit einer Schüssel, auf einen Stuhl neben dem Bett der Schlafenden setzte. Rosamund bedankte sich derweil bei der heilkundigen Schankfrau, steckte ihr eine Münze zu und schickte sie, versehen mit einer kleinen Stärkung, ins Dorf zurück. Bis Rosamund endlich das Schlafgemach verlassen und ihr Tagewerk beginnen konnte, war es somit bereits erheblich später als sonst. Doch kaum hatte sie die Tür hinter sich geschlossen, da wurde sie auch schon durch einen sichtlich schadenfrohen Sir Thomas zu Fitz Osbern bestellt. Ohne sich zu weigern oder nach dem Grund zu fragen, begab sie sich unverzüglich zum Westturm, in Gedanken noch immer bei ihrer kranken Mutter.
Dort angekommen, stellte sie fest, dass Fitz Osbern sich in einer der Turmstuben häuslich eingerichtet hatte: Stehtisch, ein Lehnstuhl, etliche Schemel. An einer Wand neben der Feuerstelle hing ein kunstvoll gewebter Teppich. Gegenüber, direkt vor der Mauer, stand eine Reisetruhe, vermutlich für Schriftrollen und andere Unterlagen. Auf dem Truhendeckel verstreut, lag ein ganzes Waffenarsenal. Eine persönliche Note war nicht zu erkennen.
Rosamund schürzte die Lippen. Erstaunlich komfortabel für einen Raubritter! Allem Anschein nach hatte er vor, länger auf Clifford zu verweilen.
Das gilt es abzuwarten!, dachte sie. Natürlich würde sie sich erst weiter um ihn kümmern, wenn ihre Mutter genesen sein würde und sie selbst den Kopf wieder frei hatte. Ähnlich wie die robuste, leutselige Mistress Kempe schickte sie ein kurzes Stoßgebet hinterdrein.
Fitz Osbern saß in einem Lehnstuhl und blickte sie finster an. „Da seid Ihr ja“, meinte er, offenbar wenig erfreut, und knallte mit der flachen Hand auf den Tisch. „Seid Ihr verantwortlich für diese unappetitliche Angelegenheit?“
„Was denn für eine Angelegenheit?“, fragte sie vorsichtig.
„Ach, tut doch nicht so unschuldig! Wer sollte denn sonst ein Interesse daran haben, hier Unruhe und Ärger zu stiften!“
„Ich weiß beim besten Willen nicht …“
„Fast alle meine Männer leiden unter einer bösen Magenverstimmung“, fuhr er fort, ohne auf ihren Einwand einzugehen. „Wollt Ihr etwa alle vergiften? Aus lauter Rache, weil ich Clifford besetzt habe?“
„Wie bitte? Vergiften?“
„Na, Euch hat es ja offenbar nicht erwischt. Ihr seht bemerkenswert gesund aus.“ Seine Stimme nahm einen gehässigen Ton an. „Möchte mal gerne wissen, wieso der Kelch bis jetzt an mir vorübergegangen ist. Vielleicht habt Ihr mir ja noch Schlimmeres zugedacht als Durchfall und Erbrechen.“
„Gift …“, wiederholte Rosamund, verzweifelt bemüht, all diesen Anschuldigungen einen Sinn abzugewinnen. „Solch eine Niedertracht traut Ihr mir zu?“ Zorn und Bestürzung fochten einen Kampf in ihr aus. Wie konnte er ihr etwas so Gemeines vorwerfen?
Aber habe ich mir das nicht selbst zuzuschreiben?
Nein! Gewiss, sie hatte ihm und seiner Soldatenbande das Leben so ungemütlich wie möglich machen wollen. Aber Gift? Das lag weit jenseits dessen, was sie als angemessene Mittel betrachtete.
„Eine bessere Erklärung fällt mir nicht ein. Habt Ihr den Verstand verloren, Weib? Bei solch gefährlichem Kinderkram hört der Spaß auf!“ Mit einem Satz sprang er auf, kam um den Tisch herum und baute sich vor Rosamund auf. Noch nie im Leben hatte ihr jemand solch einen Schrecken eingejagt. „Den Hintern müsste man Euch versohlen! So eine Gedankenlosigkeit! Verbohrtes Frauenzimmer!“
„Aber das war ich nicht!“ Schlagartig wurde ihr angst und bange. Ihre Mutter! War es Gift? War Petronilla ernsthafter
Weitere Kostenlose Bücher