Die Liebeslist
ihres Dekolletés. Dort verharrte er, die Lippen weich auf ihrer Haut.
Sie konnte ihm nicht Einhalt gebieten, wollte es auch gar nicht. Sie hörte das Rauschen des Blutes in ihren Adern, das Herz raste in ihrer Brust, doch gleichzeitig spürte sie eine unsagbare Wonne. Sie glaubte, ein Glitzern wie von Regentropfen auf hohem Gras müsse ihre Haut überziehen. Am ganzen Leibe erschauernd, umklammerte sie Gervase, atemlos und aufgewühlt. Da sie ja nie auf diese Weise geküsst worden war, hatte sie keinen Vergleich. Fühlte es sich so an, wenn man einen Mann begehrte? Sie wusste es nicht, doch das, was sie empfand, übertraf ihre kühnsten Träume. Eine unglaubliche, unwiderstehliche, kaum zu beherrschende Lust durchflutete sie, raubte ihr schier die Sinne, ließ sie nach nur einem verlangen: dass seine Liebkosungen niemals enden würden.
„Rose …“
Als er ihren Namen raunte, da gab sie allen Widerstand auf. Ganz zart küsste er ihre Schläfe. Niemals hätte sie gedacht, welch ein Sehnen die Berührung eines Mannes in ihr auslösen würde. Als er mit den Fingerspitzen sanft über ihren Nacken fuhr, da wandte sie ihm das Gesicht zu und wisperte vollkommen ergriffen seinen Namen.
„Gervase …“
Das Knacken eines Scheits in der Feuerstelle und der anschließende Funkenregen rissen sie jäh in die Wirklichkeit zurück. Schlagartig fiel ihr wieder ein, wo sie sich befand und wer der unerbittliche, heimtückische Kerl eigentlich war, der sie da so zärtlich in den Armen hielt.
Schon meldete sich eine warnende Stimme in ihr zu Wort. Natürlich, das hatte er alles so geplant! Er wusste genau, was er tat, folgte seinen eigenen Vorgaben. Sie durfte nicht zulassen, dass sich so etwas noch einmal wiederholte, auch wenn es ihr noch so schwerfiel, seinen Verführungskünsten zu widerstehen.
Sie machte einen Schritt zurück, und nach einigem Hin und Her gab er sie frei. Als sie ihm forschend ins Gesicht sah, war das feurige Funkeln aus seinen Augen verschwunden. Sie waren ausdruckslos und grau wie frisch gehauener Schiefer, bar jeder zarten Regung.
Jene so wundervolle Wonne, sie verflog im Nu. Rosamund spürte, wie ihr die Röte heiß in die Wangen stieg, wie ihr die Tränen in die Augen traten. Nur fort, solange ihr Stolz noch einigermaßen unangetastet war! Ehe dieser Gauner weiteren Schaden anrichten konnte!
„Wenn Ihr mich nun entschuldigen wollt …“
Fast hatte es den Anschein, als wolle er sie nicht fortlassen. Dann ging er zur Tür und hielt sie ihr mit einer kurzen Verbeugung auf. „Mylady …“
Ohne ihn noch eines Blickes zu würdigen, schritt Rosamund erhobenen Hauptes wortlos an ihm vorbei. Hoheitsvoll stieg sie gemessenen Schrittes die Treppe hinunter, wohl wissend, dass er ihr aufmerksam nachschaute.
In Wirklichkeit lief sie vor ihm davon.
7. KAPITEL
Petronilla konnte das Krankenbett verlassen, zwar noch etwas schwach auf den Beinen, aber doch leidlich erholt, solange sie nicht an Essen dachte. Ihre Stimmung indes war gedrückt. Aus irgendeinem Grund lastete ihr die Vergangenheit schwer auf der Seele. Vermutlich eine Folge ihrer fortgeschrittenen Jahre, so ihre Ansicht. Wie sollte man auch als Dame zuversichtlich in die Zukunft schauen, wenn man merkte, dass das Alter nahte? Frische Luft, die würde ihr sicher guttun, beschloss sie. Außerdem musste sie ihre Sorgen – wenigstens einige davon – einmal mit jemandem besprechen, der ihr einen guten Rat geben konnte.
Während Edith ihr das Haar unter tröstendem Gesäusel zu dem üblichen Krönchen flocht, betrachtete Petronilla sich in der polierten Silberscheibe, die sie anlässlich ihrer Vermählung von Earl William geschenkt bekommen hatte. Sie bereute es sofort, denn ihre Stimmung sank auf einen Tiefstand. Schließlich nahm sie sich zusammen. Die Fältchen neben den Augen ließen sich nicht leugnen. Waren es gar noch mehr als am Tage zuvor? Auch hatte ihre Haut unter den winterlichen Winden gelitten. Zum Glück war ihr Haar so blond, dass die grauen Fäden darin nicht weiter auffielen – vorläufig jedenfalls. Nur war sie so blass, als habe dieses widerliche Hammelfleisch ihr den Lebenssaft entzogen.
Nein, so gefiel sie sich überhaupt nicht. Also musste die Zofe den kostbaren Tiegel mit Schönheitssalbe holen, die, auf Lippen und Wangen aufgetragen, schon für erhebliche Verbesserung sorgte. So, nun siehst du wenigstens nicht mehr aus wie ein Geist, dachte Petronilla und schürzte die frisch geröteten Lippen. Gewiss, ihr verblichener
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