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Die Liebeslotterie

Die Liebeslotterie

Titel: Die Liebeslotterie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Nicoll
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    «Nein. Es tut mir leid. Es tut mir wirklich leid. Bis heute Abend.»
    «Ja.» Mehr sagte er nicht, und dann drehte er sich um und lief mit gesenktem Kopf zur Trambahnhaltestelle. Er schaute nicht zurück, aber Agathe konnte noch sehen, wie er, kurz bevor er vom Rathausplatz verschwunden war, stehen blieb, das Bündel aus der Manteltasche zog, die Geldscheine glattstrich und zählte, nur, um kopfschüttelnd weiterzugehen.
    Agathe drehte sich um und ging zum Rathaus zurück, woPeter Stavo vor seinem Kabuff stand und auf sie wartete. «Der Kaffee ist gleich fertig», sagte er.
    «Danke, aber ich muss wieder an die Arbeit.»
    «Ist alles in Ordnung?», fragte er.
    «Ja. Alles ist in bester Ordnung.»
    «Der Kerl ist ein schlimmer Finger.»
    «Nein, ist er nicht. Er ist in Ordnung.» Agathe schleppte sich die Treppe hinauf.
    An der Tür zum Bürgermeisterbüro begegnete sie Tibo, der gerade auf dem Weg hinaus war. Er hatte ihre Abwesenheit nutzen wollen, um sich aus dem Staub zu machen, und ihr nun gegenüberzustehen verursachte ihm schlagartig eine trockene Kehle. Verlegen fuhr er sich mit einer Hand durchs Haar. Er machte auf dem Absatz kehrt, um zu flüchten, erkannte, dass er in der Falle saß, und drehte sich wieder zu Agathe um. Er sagte: «Guten Morgen, Frau Stopak.»
    «Du willst mir kündigen?» Agathes Lippen zitterten.
    «Sollte ich das? Hast du irgendetwas getan, das mich dazu veranlassen könnte?» Er hätte etwas Freundlicheres sagen können, etwas Netteres, etwas Beruhigendes wie: «Sei nicht albern. Warum sollte ich dir kündigen? Natürlich werde ich dir nicht kündigen. Ich liebe dich.» Aber diese Gedanken waren ihm gründlich ausgeprügelt worden – von Agathe selbst   –, und nun kam es ihm in erster Linie darauf an, sich vor weiteren Prügeln zu schützen.
    «Keine Ahnung», sagte sie. «Findest du, ich hätte irgendetwas getan?»
    Tibo kniff seine Lippen zu einem erbsengroßen Knubbel zusammen und sagte: «Ich kündige dir nicht.»
    «Du hast ‹Frau Stopak› zu mir gesagt. Ich dachte, du wolltest mich hinauswerfen.»
    Tibo starrte über ihre Schulter einen Punkt an der Flurwand an. «Ja», sagte er, «Frau Stopak, ich wollte   … Nun ja   … Nach längerem Überlegen bin ich zu dem Entschluss gelangt, dass es unter den gegebenen Umständen wohl besser wäre, zu einer förmlicheren Anrede zurückzukehren. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, werde ich Sie ‹Frau Stopak› nennen, und es wäre mir lieb, wenn Sie mich von nun an ‹Bürgermeister Krovic› nennen könnten, oder einfach nur ‹Herr Bürgermeister›.»
    «Dann wirst du mich nicht hinauswerfen?» Agathe ließ die Schultern hängen. «Herr Bürgermeister.»
    «Nein, ich werde Sie nicht hinauswerfen.»
    «Oder versetzen?»
    «Nein.»
    «Ich mag meine Arbeit.» Das war gelogen. Sie hasste ihre Arbeit. Sie hasste die Stimmung, die sich in den letzten Wochen im Büro breitgemacht hatte, die peinliche Verlegenheit, den Schmerz, die Kälte.
    Tibo sagte: «Sie sind eine äußerst kompetente und fleißige Sekretärin. Mir fällt niemand ein, der die Aufgaben besser kennen oder sie genauso gut erledigen würde. In letzter Zeit war es nicht einfach – das ist nicht zu leugnen – aber wir sind beide erwachsen und können damit umgehen   … genau   … einigermaßen.»
    Tibos Augen schmerzten, weil er zu lange auf den Punkt an der Wand gestarrt hatte. Er hätte sagen können: «Ich habe keinen anderen Grund, morgens aufzustehen, als die Aussicht, dir den ganzen Tag lang nah zu sein. Es bringt mich um, aber dir fern zu sein würde mich noch schneller umbringen.» Aber er sagte es nicht.
    «Vielen Dank, Bürgermeister Krovic», sagte Agathe und ging langsam zu ihrem Schreibtisch. «Um drei Uhr besuchteine Schulklasse das Rathaus», sagte sie. «Sie wollten die Kinder persönlich begrüßen.»
    «Ich werde daran denken. Vielen Dank, Frau Stopak.» Tibo schwankte die Treppe hinunter wie ein Angeschossener, der fürs Erste noch nicht sterben wird.
    Und Agathe, die sich erschöpft und leer an den Schreibtisch gesetzt hatte, stellte verwundert fest, dass die Venus vor dem Spiegel immer noch an der Wand hing, ein bisschen schief und verstaubt. Vergessen. Sie nahm die Karte herunter und las. «Du bist noch viel schöner. Viel kostbarer. Viel begehrenswerter. Du bist anbetungswürdiger als jede Göttin. Ja, ich BIN dein Freund.» Sie zerriss die Karte und warf sie in den Papierkorb. Die Heftzwecke steckte immer noch in der Wand, aber sie

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