Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Liebeslotterie

Die Liebeslotterie

Titel: Die Liebeslotterie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Nicoll
Vom Netzwerk:
Fragezeichenschwanz verführerisch hoch trugen, die mitternächtlichen Kämpfe, und vor allem liebte er Agathe. Auf der Straße stolzierte er mit den flüssigen Bewegungen eines Boxers herum, mit wiegenden Schultern und lockerer Hüfte, immer bereit, die Krallen auszufahren wie kleine Taschenmesser. Aber sobald Agathe kam, verwandelte er sich in ein Kätzchen, das schmusen und sich den Bauch kraulen lassen will.
    Während Agathe sich vornübergebeugt mit dem Türschloss abmühte, strich Achilles ihr zärtlich um die Beine. «Ja, ja, ich weiß. Du hast Hunger. Gleich sind wir drinnen.Hier draußen ist es so dunkel, dass ich meine Hand vor Augen   … Geschafft!»
    Die Tür schwang auf, und Achilles huschte hinein, er zwängte sich an Agathe vorbei, wie Agathe sich an Hektor vorbeigezwängt hatte an jenem ersten Abend. Bloß, dass Hektor an diesem Abend nicht da war. Sie fror, sie war einsam, und in ihrem Hinterkopf braute sich eine Frage zusammen, die sie lieber ignorieren wollte.
    «Na, komm her, du. Sollst was zu fressen kriegen.»
    Achilles peitschte zufrieden mit dem Schwanz, als Agathe eine Dose Fisch aus dem Spülenschrank angelte, sie öffnete und in seinen Napf leerte. Sein Schnurren war scheppernd, so wie die Fähre aus Dash, die sich in der Ferne dem Hafen näherte. Er machte sich über das Futter her.
    Was ist mit mir?, dachte Agathe. Sie warf einen Blick in den Schrank, konnte auf dem hölzernen Regal aber nicht mehr entdecken als einen harten Brotkanten und ein einsames Ei. Brotomelett. Ein sehr kleines Brotomelett. Daran ist noch niemand gestorben.
    Sie rieb das Brot mit Knoblauch ein, hackte es klein, briet es knusprig an. Die ganze Zeit, während sie das Ei schlug und pfefferte und in die Pfanne kippte, erklärte sie Achilles jeden Handgriff, jeden Trick, so, wie ihre Großmutter es früher getan hatte, damit Achilles sich eines Tages selbst ein Brotomelett braten könnte. Falls er Lust darauf hätte.
    Agathe ließ das Omelett auf einen blauen Teller rutschen, setzte sich an den Tisch und breitete die Zeitung aus. Es gab nichts zu lesen. Jemand hatte ein vor einem Wohnblock abgestelltes Sofa in Brand gesteckt, und Feuerwehrhauptmann Svensson hatte von Konsequenzen gesprochen.
    «Kleiner Brand, keine Verletzten», sagte sie zu Achilles.«Weißt du, in gewisser Hinsicht bin ich froh, in einer Stadt zu leben, in der solche Vorfälle es bis in die Zeitung schaffen. Wenn sie über nichts anderes zu berichten haben, können wir getrost schlafen.»
    Achilles lag auf dem Rücken und antwortete nicht. Er ließ seine Pfoten locker aus dem Gelenk baumeln und bot Agathe seinen Bauch zum Streicheln dar.
    «Ja, ja, ich habe dich gesehen, du frecher Kater.» Agathe beschloss, ihn zu ignorieren. Sie versuchte, langsam zu essen, aber nach vier hastigen Gabelladungen war der Teller leer. «Fürs Abwaschen werde ich länger brauchen als fürs Essen. Weißt du», sagte sie, «es ist ein Wunder, dass ich noch nicht im Abendblatt aufgetaucht bin. Welch ein Skandal! Dann wiederum hat Frau Oktar die Sache ganz anders gesehen, nicht wahr, kleiner Kater? Ich habe dir noch gar nicht erzählt, dass ich Frau Oktar getroffen habe, oder? Sie hat nach dir gefragt.»
    Und dann, weil sie keine Lust hatte, aufzustehen und sich ans Spülbecken zu stellen, blätterte Agathe um und nahm im selben Moment – so zielsicher, wie sie über Partygeplauder hinweg ihren Namen wahrgenommen hätte – die Wörter «Hektor Stopak» auf der Mitte der grauen Zeitungsseite wahr. Da standen sie, in einer schwarzumrandeten Rubrik mit der Überschrift «Aus unseren Gerichten», neben der ein albernes Waagenlogo prangte.
    «Oh mein Gott! Oh heilige Walpurnia! Hektor, nein!» Agathe schlug mit der flachen Hand auf die Zeitung, dann klappte sie sie schnell zu, und sie streckte den Arm erst wieder aus, als Hektors Name und was immer er verbrochen hatte nicht mehr zu sehen waren.
    Achilles zu ihren Füßen nahm gerade Anlauf für einenSprung auf ihren Schoß. Er tänzelte, schob die Pfoten ein bisschen vor und wiegte sich nach links und rechts, wie, um den richtigen Winkel für einen Sprung durch den engen Spalt zwischen Agathes Beinen und der Tischkante zu finden. Dann änderte er seine Meinung und legte seine Vorderpfoten auf Agathes Knie wie ein Kind, das hochgehoben werden möchte.
    Agathe legte sich Achilles an die Schulter wie eine Stola, und sie streichelte ein lautes Schnurren aus ihm heraus, während sie abwesend auf die Titelseite der Abendzeitung

Weitere Kostenlose Bücher