Die Liebeslotterie
ungewollten Gebäck in die Höhe haltend; beide starrten zur Tür, und keiner sagte etwas, bis Tibo irgendwann ein «Tja!» ausstieß.
«Hübsch, sehr hübsch», seufzte Cesare anerkennend.
Damit schien ihnen der Gesprächsstoff ausgegangen zu sein.
«Tja», sagte Tibo, «ja, ja …» Und er klatschte in die Hände und rieb sie energisch, um fröhlich und unbefangen zu wirken.
«Kaffee?», fragte Cesare.
«Das wäre wunderbar.»
«Genau so, wie Sie ihn mögen, Herr Bürgermeister. Wiener Kaffee.»
«Wunderbar. Ja.»
Cesare zog den Pfropf aus der Kanne, schenkte zwei Tassen ein und hob seine, wie, um anzustoßen. «Prost», sagte er und bot Tibo den Korb an.
Tibo schnalzte mit der Zunge und wählte ein Schokoladencroissant.
Schweigen. Kauen. Schlürfen. Bürgermeister Krovic konntenicht anders, als Cesares Schnurrbart zu studieren, den winzigen Glasurkrümel, der daran kleben geblieben war, seine geschmeidige Schwärze und die hauchdünne, graue Linie, die dem Färbepinsel entwischt war.
Sie lächelten, nickten einander zu, kauten, schlürften und schwiegen. Der Grund für Cesares Besuch, falls es ihn gab, schien unklar und fern, aber Tibo hatte Zeit. «Wie läuft das Geschäft?», fragte er.
«Kann mich nicht beschweren. Habe immer viel zu tun. Aber Sie sehen wir in letzter Zeit viel zu selten, Bürgermeister Krovic.»
«Nein, ich …» Tibo zögerte. «Nein, Sie haben recht, ich sollte viel öfter vorbeischauen.» Er biss in sein Croissant. Es bot ihm eine ausgezeichnete Entschuldigung dafür, nicht weiterreden zu müssen, er musste lange kauen und hatte anschließend das Gefühl, einen halben Ziegel zu schlucken.
«Und Sie, Bürgermeister Krovic» – Cesare gestikulierte mit einem Kuchenstück –, «wie läuft es bei Ihnen?»
«Ach, so wie immer», sagte Tibo. «Es ist wie bei Ihnen – es gibt immer etwas zu tun.»
Eine weitere Pause.
«Wie dem auch sei», sagte Tibo endlich, «was kann ich für Sie tun?»
Cesare fuhr sich mit der Zunge über die Schneidezähne, nur für den Fall, dass dort Krümel hängen geblieben waren. «Ja», sagte er, «ja, in der Tat. Noch einen Kaffee, Herr Bürgermeister?» Er griff zur Kanne. «Ist noch heiß.»
Cesare schenkte den Kaffeerest ein, aber dann ließ er seine dampfende Tasse auf dem Schreibtisch stehen und trat ans Fenster, um hinauszuschauen. Er hatte die Hände in den Hosentaschen vergraben und wiegte sich auf dem Absatz vor undzurück. «Haben Sie den neuen Film im Palazz schon gesehen?», fragte er nach einer Weile.
«Nein. Ist er gut?»
«Mir hat er so gut gefallen, dass ich wohl ein zweites Mal hingehen werde. Agentengeschichte. Elmo Rital spielt den Helden.»
«Der ist immer sehr gut.»
«Ja. Immer gut.»
Tibo stellte seine Tasse ab. «Herr Cesare, falls ich irgendetwas für Sie tun kann, müssen Sie es mir unbedingt sagen.»
«Es ist kompliziert», sagte Cesare. «Heikel.»
«Sie können frei heraus sprechen. Aus diesem Zimmer dringt nichts nach draußen.» Und dann fügte er, plötzlich in Sorge, Cesare wolle ihn womöglich bestechen, hinzu: «Jedenfalls, solange es legal ist.»
Cesare setzte sich wieder, spreizte die Knie und ließ den Kopf zwischen die Hände sinken. «Es ist nichts Geschäftliches. Es geht um eine Familienangelegenheit. Herr Bürgermeister, ich brauche Ihren Rat.»
«Dann werden wir uns unterhalten wie zwei Freunde. Schießen Sie los. Fangen Sie am besten ganz von vorn an.»
Cesare blies die Backen auf und ließ sich zurücksinken. «Mamma – Sie wissen ja, dass sie seit drei Jahren tot ist.»
Tibo schüttelte den Kopf. «Wirklich, so lange schon? Kommt mir wie gestern vor.»
«Wie gestern», stimmte Cesare zu. «Sie fehlt uns jeden Tag.»
«Wir alle vermissen sie. Dot wird niemals wieder wie früher sein. Aber Sie haben jetzt eine Frau. Sie muss Ihnen eine große Hilfe sein.»
«Ja», sagte Cesare, und dann sagte er nichts mehr.
Tibo beschloss, dass die Stille in Momenten wie diesen Gelegenheit bekommen sollte, sich in Ruhe auszubreiten, und er streckte die Hand nach einem Plunderteilchen aus.
Als er es zur Hälfte gegessen hatte und sich die Krümel vom Revers fegte, sagte Cesare: «Wissen Sie, ich hätte niemals guten Gewissens heiraten können, solange Mamma noch am Leben war.»
Tibo nickte langsam.
«Aber als ich nach ihrem Tod in die alte Heimat gereist bin …»
«Ach, kommen Sie – Sie leben hier schon länger als ich!»
«Ich weiß, ich weiß, aber ich denke trotzdem so. Ich
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