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Die Liebeslotterie

Die Liebeslotterie

Titel: Die Liebeslotterie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Nicoll
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es anders,denn nun sah er sechs rosafarbene Knöpfe, die in zwei Dreierreihen vorne auf das Kleid genäht waren.
    Agathe folgte seinem entsetzten Blick. «Ich bin früh aufgestanden», erklärte sie, «und habe ein paar Änderungen vorgenommen, sicherheitshalber. Punkte stehen mir gut, und ich hatte immer schon besonders hübsche Brustwarzen. Acht davon werden wunderbar aussehen!»
    «Du verwandelst dich nicht in einen Dalmatiner! Ich will nichts mehr davon hören!»
    «Tibo, aber so ist es nun einmal. Warum kannst du es nicht einfach akzeptieren? Sieh mal, was letzte Nacht geschehen ist.» Sie schwang sich auf dem Bett herum und zeigte auf ihre Zehen. «Siehst du? Schwarz. Meine rosa Zehennägel verwandeln sich in schwarze Hundekrallen.»
    Tibo packte ihren Fuß. «Du hast sie angemalt!» Und er fing an, mit dem Daumen zu rubbeln.
    «Nein, Tibo! Das kitzelt!» Sie zappelte und zuckte und strampelte.
    Die beiden lachten, und so sollte es auch sein. Eine schöne Frau und der Mann, der sie liebt, liegen frühmorgens lachend im Bett und balgen sich. Natürlich sollten sie lachen. Aber dann, als Agathe ihr Kleid über die milchweißen Schenkel rutschte und Tibo die dunklen Flecke sah und dann ihr Gesicht und wie sie ihn mit ihrem schwarzen Auge anlächelte, war es plötzlich nicht mehr lustig. Der Spaß war vorbei, und er ließ ihren Fuß los.
    «Ich muss mich anziehen», sagte er.
    «Ich mache dir einen Toast.»
    Als Tibo die Decke zurückschlug und aufstand, fiel die Morgenpost zu Boden. So kam es, dass er die Zeitung erst nach dem Waschen und Rasieren – was heute länger als gewöhnlichdauerte, weil er dem Spiegel immer wieder ein «Lebendig» zuflüsterte – in die Hand nahm und die Schlagzeile las:
     
    TOTER IN KANAL GEFUNDEN
     
    Und darunter:
     
    GRAUSIGER FUND AM SCHLEUSENTOR
     
    Es handelte sich um Hektor, «vielversprechender Nachwuchskünstler und Leitfigur der Ampersander Schule». Tibo faltete die Zeitung so zusammen, dass der Sportteil außen lag, dann ging er in die Küche, wo Agathe ihn mit Kaffee und Toast erwartete. Sie hatte sein Frühstück auf den Ofen gestellt, damit es warm bliebe. Tibo entdeckte einen Haufen Decken, die auf dem Boden zu einem Nest zusammengerollt waren.
    «Da hast du geschlafen?», fragte er.
    «Ja. Es war unerwartet bequem. Hier, nimm einen Toast.»
    Tibo hatte das Gefühl, auf Kies herumzukauen, und er trank einen Becher nach dem anderen, um den Toast herunterzuspülen.
    «Als Hektor ging», fragte er wie nebenbei, «hat er da gesagt, wohin er wollte?»
    «Nein.»
    Tibo bemühte sich, die verschiedenen Bedeutungsschichten dieser Antwort freizulegen. «Hat er gesagt, wann er zurückkommt?»
    «Nein. Noch Toast?»
    «Nein, danke. Er ist einfach gegangen? Ohne Grund? Einfach so?»
    «Freunde haben ihn abgeholt.»
    Plötzlich schöpfte Tibo neue Hoffnung. Freunde. Ein Mann wie Hektor Stopak hatte nur eine Sorte Freunde   – Kriminelle. Ein illegales Geschäft ist geplatzt, jemand bekommt einen Schlag auf den Kopf, und dann: ab in den Kanal.
    «Leute, die er aus den Drei Kronen kannte?»
    «Nein, ich glaube nicht. Kaffee?»
    «Ja, einen kleinen Schluck. Würdest du sie wiedererkennen?»
    «Oh, auf jeden Fall. Es waren vier – ein Muskelmann mit einem riesigen Schnurrbart, zwei Mädchen mit Jonglierkeulen und eine Tänzerin mit einem dressierten Hund.»
    Tibo war entzückt. Die Vagabunden vom Rathausplatz! «Und das waren Freunde von Hektor?»
    «Nein, Tibo. Freunde von mir. Na ja, gewissermaßen. Sie kamen aus Mamma Cesares verwunschenem Theater, oben im Goldenen Engel.» Und sie erzählte ihm die ganze Geschichte.
    Danach fiel Tibo nichts mehr zu sagen ein außer: «Ich verstehe. Ich finde, du solltest dir heute einen Tag freinehmen.» Dann verließ er das Haus, stieß die Glocke am Gartentor an, murmelte «Ambergrau» und lief den Berg zur Haltestelle hinauf.
    Wie immer sprachen die Leute ihn an, als er auf die Tram wartete. Sie sprachen ihn während der Fahrt in die Stadt an. Tibo ignorierte sie. Am Rathaus nahm er den Seiteneingang. Peter Stavo erwartete ihn bereits.
    «Da sind zwei Polizisten in Ihrem Büro.»
    «Ich verstehe», sagte Tibo. Langsam stieg er die Treppe hinauf.

 
    ALS ER SEINE Besucher entdeckte, brach der gute Bürgermeister Krovic beinahe in Gelächter aus. Sie erhoben sich von ihren Plätzen, um ihn zu begrüßen wie zwei Dorfpolizisten, die eben erst den elterlichen Bauernhof verlassen hatten. Der eine trug Hochwasserhosen, die ihm gegen die

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