Die Liebeslotterie
zu zweit.
Tibo brachte ihr Geschenke, alberne Kleinigkeiten, von denen er dachte, dass Agathe sie mögen würde. Bücher, die ihr seiner Meinung nach gefallen könnten, und Schachteln mit Türkischem Honig; sie nahm die festen, rosafarbigen Klumpen zwischen die Finger und umschloss sie zu Tibos Freude mit den Lippen. Tibo ging in den verstaubten Hinterzimmern von Dots Trödelläden auf Schatzsuche und stöberte Bedeutungslosesauf, das alles bedeutete. Fast täglich hielt er ein kleines Geschenk für Agathe bereit.
Jeden Monat kaufte er Agathe eine neue Rolle mit Lotterielosen, und jeden Monat gewann sie nicht einen Pfennig. Aber das war egal. Sie saßen mittags im Goldenen Engel beisammen und schmiedeten Pläne. In einem alten Baedeker, den Tibo aus einer Ramschkiste in einem Buchladen in der Walpurniastraße gezogen hatte, studierten sie Landkarten der dalmatischen Küstenregion. Sie verbrauchten unzählige Servietten, um den Grundriss des Häuschens, das Agathe nach ihrem Lotteriegewinn bauen würde, zu zeichnen und zu verbessern. Hier wäre das Badezimmer, nein, dort, mit direktem Zugang zur Loggia, von der aus man die Bucht und in der Ferne die Berge überblicken konnte. Die Küche sollte folgendermaßen aussehen, und da wäre das Wohnzimmer mit dem überdimensionalen Kamin, falls der Winter einmal besonders hart würde. Außerdem gab es eine Speisekammer für Oliven und ein Bücherregal für den Homer. Manchmal brachte Tibo aus Katalogen ausgerissene Fotos mit in den Goldenen Engel, um mit Agathe die Einrichtung des Hauses mit der breiten, schattigen, überdachten Südveranda zu besprechen.
Im Haus standen große, bequeme Ledersofas, die sie zu exorbitanten Kosten aus Londons feinsten Herrenclubs hatten importieren lassen und die mit ihrem Zigarrenaroma und den Weinbrandspritzern die Würze eines ganzen Jahrhunderts verströmten. Auf den Fußböden lagen überall leuchtend bunte, afghanische Teppiche. Die aus dem Goldenen Engel entwendete Doppeltür – geätztes Glas im vergoldeten Rokkokorahmen – führte vom Wohnzimmer direkt ins Schlafzimmer, das mit einem wuchtigen Bett, altrosa Tapeten undleichten Musselinvorhängen, die das gleißend helle Licht der Sommersonne angenehm dämpften, ausgestattet war. Während sie mit Ravioli in Sahnesauce beschäftigt waren, entschieden sie sich für Bettlaken aus weißem Leinen sowie eine Auswahl an schlichten Tischdecken; Kristallglas hingegen schlossen sie beide aus. Agathe nahm eins der schweren, dicken Wassergläser in die Hand, die auf dem Tisch standen. Das Sonnenlicht brach sich grünlich darin. Nach zwanzig Jahren des täglichen Gebrauchs war das Glas so rau und zerkratzt wie eine von den Wellen geschliffene Scherbe. «So sieht das Meer in Dalmatien aus», sagte sie. «So sollten unsere Gläser aussehen. Wir brauchen keine schicken Gläser. Wir brauchen Gläser, die einen Sturz heil überstehen. Nur größer müssten sie sein, damit mehr Wein hineingeht. Ich habe vor, sehr viel Zeit in der Badewanne zu verbringen.»
Die Vorstellung von Agathe in der Badewanne, von ihren wasserumspülten Hüften, ihrem Bauch, ihren Brüsten, ließ Tibo wohlig erschauern. An dem Nachmittag ging er in eine Drogerie, um ihr ein klares, parfumiertes Seifenstück zu kaufen.
Abends in der Aleksanderstraße kochte Agathe, sie kochte exzellente Fleischgerichte, die sie am nächsten Tag in der Emailledose oder in Schüsseln und Töpfen, die sie in der Tram auf den Knien balancierte, ins Büro mitbrachte. Sie präsentierte sie Tibo mit den Worten: «Iss das», oder: «Gute Suppe», oder: «Probier das. Es ist eine Pastete. Ich mache mir Sorgen um dich, ernährst du dich vernünftig?»
Wenn Agathe abends am Herd stand, für Tibo kochte und an ihn dachte, saß Tibo in seiner Küche, aß und dachte an Agathe. Wenn er sich abends hinsetzte, um die von ihr zubereitete Mahlzeit zu essen, fragte er sich: «Ob sie noch weiß,was sie über das Kochen und die Liebe gesagt hat?» Dann schlug er die Abendzeitung auf.
Wenn sie abends den frischgekochten Eintopf in die Schüssel umfüllte, die Tibo ihr am Morgen gespült zurückgegeben hatte, fragte Agathe sich: «Ob er noch weiß, was ich über das Kochen und die Liebe gesagt habe?» Den Rest löffelte sie auf Stopaks Teller.
Auf seltsame Art waren sie die ganze Zeit zusammen, bei der Arbeit und zu Hause, und die ganze Zeit dachten sie: Es wird passieren.
Gingen sie zusammen durch die Schlossstraße zum Goldenen Engel, gingen sie Arm in Arm und
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