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Die Liebeslotterie

Die Liebeslotterie

Titel: Die Liebeslotterie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Nicoll
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betrachten.»
    Agathe rümpfte die Nase.
    «Agathe, falls du heute Mittag Zeit hast, würde ich dich sehr gern zum Essen einladen.»
    «Ach so. Ja. Das wäre wunderbar.»
    «Agathe, habe ich irgendetwas getan?»
    Agathe musste sich auf die Zunge beißen. Sie wollte aufspringen, Tibo beim Kragen packen und rufen: «Tibo, du hast verdammt nochmal nichts getan. Mehr als drei blödige Monate Mittagessen, und du hast nichts getan. Bin ich unsichtbar? Siehst du mich nicht?» Stattdessen sagte sie: «Nein, Tibo. Es ist nichts.»
    «Bist du sicher?»
    «Ja.»
    «Du würdest es mir doch sagen?»
    «Ja.»
    «Ich muss jetzt zur Sitzung des Büchereiausschusses. Das wird den ganzen Vormittag dauern.»
    «Ja.» Mehr sagte Agathe nicht, und sie sah Tibo auch nicht an, als sie ein weiteres Blatt mit städtischem Briefkopf in ihre Schreibmaschine spannte.
    «Also dann. Ich freue mich darauf, dich um ein Uhr zu treffen.»

 
    WÄHREND DER Büchereiausschuss tagte und die Stadträte darüber diskutierten, welche Bücher in diesem Jahr zu ersetzen wären, was mit den ausrangierten geschehen solle, welche Neuanschaffungen anstünden und ob man Schüler, die die Leihfrist überzogen, mit einer Geldstrafe belegen sollte, hörte Tibo nur mit einem Ohr zu. Er machte sich Sorgen um Agathe, und er musste an den Vorabend denken, als er in einer Zeitschrift zwei mit sonnenschweren Rosenblüten bemalte Porzellankatzen mit leuchtend grünen Glasaugen gefunden hatte. Nun befanden sie sich in seiner Geldbörse, so vorsichtig wie nur möglich ausgerissen und bereit, in Agathes Buch zu wandern. Die Sache würde sich schon wieder einrenken, dachte er bei sich. Was immer Agathe so aufgeregt hatte, er würde das für sie geradebiegen.
    Als die Ausschusssitzung endlich vorbei war, eilte Tibo ins Büro zurück. Agathe war schon gegangen. Er rannte die Treppe hinunter und zog sich den Mantel im Gehen über, aber auch auf dem Rathausplatz und in der Menschenmenge auf der Brücke war von Agathe keine Spur zu entdecken. Erst als er die halbe Schlossstraße hinuntergelaufen war und den Goldenen Engel schon fast erreicht hatte, entdeckte er sie vor sich zwischen den Passanten.
    Als Tibo ins Lokal gestürzt kam, saß Agathe bereits am Fenster. Mamma Cesare lächelte, als der Bürgermeister durch die Schwingtüren trat, sie lächelte und winkte undzeigte auf Agathe, die mit in die Hand gestütztem Kinn dasaß.
    Agathe stellte fest, wie sehr ihr das missfiel – der Umstand, dass jedermann von Tibo Notiz nahm, dass jeder ihn willkommen hieß und sich seinetwegen Umstände machte, dass jeder zu strahlen anfing, sobald er von Tibo beachtet wurde. Und Tibo betrachtete all das als selbstverständlich. Er nahm es hin. Er bemerkte gar nicht, wie wunderbar er war. Er bemerkte nicht, wie wunderbar Agathe ihn fand. Er bemerkte nicht, dass sie ihn liebte.
    Sie beobachtete ihn, wie er zwischen den Tischen hindurch auf sie zu tänzelte, er hüpfte wie ein glücklicher Welpe und sah so unglaublich dumm aus. Als Tibo sich setzte, begrüßte sie ihn mit einem beleidigten Seufzer. Er tat so, als habe er nichts bemerkt. Agathe merkte, dass er so tat, als habe er nichts bemerkt.
    «Was gibt es heute?», lächelte er. «Was ist heute köstlich und appetitlich, abgesehen von dir, meiner liebsten und weltbesten Bürgermeistersekretärin?»
    «Köstlich und appetitlich? Wenn ich so köstlich und appetitlich bin, warum stürzt du dich nicht auf mich und verschlingst mich, du Idiot?» Aber sie sagte bloß: «Suppe. Heute gibt es Suppe. Als ich hereinkam, sagte Mamma Cesare, heute gebe es Suppe.»
    «Gut. Was für Suppe?»
    «Woher soll ich das wissen?»
    «Verzeihung. Ich dachte nur.»
    «Hör mal, es war so: Ich kam herein. Sie sagte: ‹Hallo.› Sie sagte, es gebe Suppe. Ich habe mich hingesetzt, und dann bist du hereingekommen. Mehr weiß ich nicht.»
    Tibo setzte sein «verletztes» Gesicht auf und schwieg. Siekonnte sehen, wie es hinter seinen Augen arbeitete. «Was soll ich darauf sagen? Am besten sage ich gar nichts mehr.»
    Agathe wollte eine Brotstange nehmen und sie Tibo ins Auge rammen. Sie wollte auf den Tisch klettern und rufen: «Blödige Hölle nochmal, Tibo, nun sag endlich etwas! Beachte mich!» Aber da saß er, auf den Ellenbogen gelehnt, und starrte in die Schlossstraße hinaus. Agathe stieß ein «Tse!» aus und verdrehte die Augen.
    Nach einer Weile brachte der Kellner zwei große Schüsseln mit Minestrone. Er hielt eine Schüssel in jeder Hand und balancierte auf

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