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Die Liebeslotterie

Die Liebeslotterie

Titel: Die Liebeslotterie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Nicoll
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dem Unterarm ein Brotkörbchen. Wundersamerweise gelang es ihm, alles auf dem Tisch abzustellen, ohne auch nur einen Tropfen zu verschütten.
    Tibo nickte ihm höflich dankend zu, griff zum Löffel und sagte: «Das sieht gut aus.» Es war eine Einladung zum Waffenstillstand.
    Agathe ignorierte ihn, beugte sich über die dampfende Schüssel und schwieg. In der Stille klangen ihre rührenden Löffel wie Ankerketten.
    «Oh, das hätte ich fast vergessen», sagte Tibo. Er lehnte sich zurück, um seine Geldbörse aus der Tasche zu ziehen. «Ich habe dir ein Geschenk mitgebracht.»
    «Hoffentlich Geld.»
    «Nein, kein Geld. Brauchst du Geld? Ich gebe dir Geld, wenn du welches brauchst.»
    Agathe schüttelte den Kopf und leckte sich einen verirrten Suppentropfen aus dem Mundwinkel. Sie streckte ungeduldig eine Hand über den Tisch, so als wolle sie sagen: «Na los, mach schon», und nahm Tibo den Zettel aus den Fingern.
    «Für das Haus in Dalmatien», sagte Tibo. «Dekorationsstücke. Katzen. Porzellankatzen mit Glasaugen.»
    «Ja, das sehe ich.» Agathe griff in ihre Handtasche und zog das Büchlein heraus, in dem sie ihre Ausschnitte aufbewahrte. Sie stopfte die Katzen hinein und ließ das Buch mit einem Knall auf die Tischplatte fallen.
    Wieder sah Tibo verletzt und überrascht aus, so wie Achilles, wenn er Agathe eine besonders fette Maus brachte und Agathe sich alles andere als begeistert zeigte. Er hatte ihr einen Fetzen Papier gegeben, mehr nicht. Warum erwartete er von ihr, bei jeder Kleinigkeit in «Ooh!» und «Aah!» auszubrechen?
    «Ein hübsches kleines Haus haben wir da für dich zusammengesponnen», sagte Tibo und tippte auf das Büchlein. Er klang nervös.
    «Ja, das haben wir. Glaubst du, dass wir jemals dort hinkommen?»
    Tibo lächelte. Inzwischen brachte ihn fast alles, was Agathe sagte, zum Lächeln. «Ich gebe mein Bestes. So viele Lotterielose, und du hast nichts gewonnen. Nicht einen einzigen Hauptgewinn.»
    «Es liegt nicht an mir», erwiderte sie. «Was kann ich dafür, wenn du nur Nieten kaufst. Du solltest sie zum Laden zurückbringen und dein Geld zurückverlangen. Wie dem auch sei   …» – sie warf einen tiefen Blick in ihre Suppe   –, «ich würde mich schon mit einer kleinen, feuchten Wohnung am Kanal zufriedengeben. Es muss nicht unbedingt die dalmatische Küste sein.»
    «Aber du hast die dalmatische Küste verdient.»
    Agathe tauchte ihren Löffel ein. «Ich habe nur das Beste von allem verdient, aber schlimmstenfalls werde ich mich mit etwas Normalem zufriedengeben, wenn es nur meins ist. ‹Gut› ist gar nicht so schlecht, oder?»
    Agathe sah ihn an und fragte sich, warum er nicht begriff,dass der Moment gekommen war. «Ich werde mich mit etwas Normalem zufriedengeben, wenn es nur meins ist.» Genau das hatte sie gesagt, und wenn er ihr nun endlich ein Stückchen Normalität anbieten würde, könnte etwas ganz Wunderbares daraus werden.
    Aber Tibo sagte nichts, und plötzlich sah sie ihn mit anderen Augen.
    Sie schaute sich im Restaurant um, sah die Kellner von Tisch zu Tisch hasten, die Geschäftsleute ihr Mittagessen verschlingen, die Leute auf der Straße in den dunkelgrauen Himmel starren und sich fragen, ob es bald schneien würde. Und sie wusste, dass jeder, der gefragt würde, wer da im Goldenen Engel am mittleren Fenstertisch sitzt, antworten würde: «Der gute Tibo Krovic.» Bloß, dass sie heute damit falsch lagen, denn heute hätte es heißen müssen: «Der richtige Tibo Krovic.»
    Gut ist gar nicht so schlecht. Agathe hätte sich mit ‹gut› zufriedengegeben, und wenn Tibo sich für das Gute entschieden hätte, hätte er sich auf der Stelle erheben, notfalls den Tisch umwerfen, Agathe in seine starken Arme nehmen und sie hinaustragen müssen, als rette er sie aus einem brennenden Gebäude. Er hätte sie retten können. Er hätte sie zu dem großen, schmiedeeisernen Bettgestell in seinem Haus am Ende des blaugekachelten Gartenpfads mit dem kaputten Gartentor und der Messingglocke tragen und sie für den Rest des Nachmittags retten können. Die ganze Nacht hindurch hätte er sie retten können. Er hätte sie retten können, bis er zu erschöpft wäre, um sie noch einmal zu retten. Er hätte sie wieder und wieder retten können, so, wie keine andere Frau davor oder danach jemals gerettet worden war, in jeder erdenklichen Art und darüber hinaus auf Arten, die er sich bis heute niemals hätte vorstellen können; und danach hätte Agathe nochein paar eigene Vorschläge

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