Die Liebesluege
keine besseren.«
»Woher willst du das wissen, wo du doch nicht Ski fährst?«
»Hätte ich vielleicht jede Stunde auf der Bank sitzen und vorgeben sollen, ich hätte meine Tage?«, entgegnete Charly schlagfertig. »Am Samstag fahre ich Schlitten, ihr werdet’s schon sehen.«
»Quatsch. Wir stellen dich auf die Bretter, ob du willst oder nicht.« Jem lachte. »Das wird ein Spaß! Ich freu mich jetzt schon darauf! Kannst du eigentlich Ski fahren, Elena?«
»In Heidelberg ist das nicht möglich, aber meine Familie hat jedes Jahr zwei Wochen Winterferien in den Bergen gemacht.«
Charly beugte sich vor. »Wo genau war das?«
»Hier in der Schweiz.« Elena wand sich; wenn sie den Ort nennen würde, würden alle die Knausrigkeit ihres Vaters noch viel weniger verstehen.«
»Sag schon, Darling, wo habt ihr Ferien gemacht? Wir sind neugierig.« Sophia-Leonie reichte den Wasserkrug weiter.
Elena senkte den Kopf. »In … in der Nähe von Davos.«
»In der Nähe von?«, wiederholte Sophia-Leonie. »In der Nähe von … habt ihr etwa ein Chalet in den Bergen, Darling?«
»Ja. Es ist aber eher so was wie eine Hütte«, schränkte sie ein.
»Ein Chalet ist die Bezeichnung für so was wie’ne Hütte«, stellte Jem fest.
»Aber, Darling, wenn ihr ein Chalet besitzt, verstehe ich nicht, weshalb -«
Poldy unterbrach sie: »Order von Madame Mori - Elena und Charly sollen zu ihr kommen.« Elena saß wie erstarrt auf ihrem Stuhl. Jetzt war es so weit, jetzt würde Professor Mori ihr voll Mitgefühl sagen, dass ihr Vater sie nicht angemessen unterstützen konnte. Klar, weshalb sollte er auch? Ganz unten wollte er sie sehen, ganz, ganz, ganz unten … Als ob sie nicht schon unten wäre!
Wie in Trance ließ sie sich von Charly aus dem Speisesaal und vor Professor Moris Zimmertür führen.
Frau Rode hatte sich ins Zeug gelegt und im Besprechungszimmer den Teetisch gedeckt. An diesem Tag hatte sie zur Tischdecke aus rosa Batist gegriffen und Tässchen aus dünnem Porzellan aus dem Schrank geholt. Eine silberne Schale mit feinem Schweizer Konfekt stand in der Mitte, ein Samowar summte und eine Vase mit einer einzigen großen Annemone in hellstem Gelb vervollständigte das Ensemble.
Elena und Charly blieben überrascht in der Tür stehen.
»Nehmt Platz.« Professor Mori füllte die Tassen und deutete auf das Konfekt. Sie verbreitete eine so sachliche, geschäftsmäßige Atmosphäre, dass Elena ihre Unsicherheit schnell verlor.
»In erster Linie geht es um dich, Elena.« Sie streifte Charly mit einem Blick, der ganz klar »Misch dich nicht ein!« sagte. »Ich habe deine Unterlagen geprüft und festgestellt, dass dein Vater den Bedingungen unseres Instituts nicht in vollem Umfang nachgekommen ist.«
Super, genau was ich vermutet habe, ich muss gehen , dachte Elena. Was wird jetzt aus mir? Ihr wurde ganz kalt; zusammengekrümmt, mit starrem Blick schaute sie Professor Mori an. »Kann … darf ich wenigstens diese Woche noch hierbleiben?«
Professor Mori trank einen Schluck. »Das ist nicht der Punkt. Tatsache ist, dass ich heute mit deinem Vater gesprochen und ihn auf sein Versäumnis aufmerksam gemacht habe.« Sie legte eine wohlberechnete Pause ein, in der Elena den Blick senkte.
»Was hat er gesagt?«
»Nun, er meinte, das habe er übersehen. Natürlich möchte er, dass du dich hier wohlfühlst. Das bedeutet, dass ihr beide an eurem freien Nachmittag, das ist übermorgen, Mittwoch, nach Montreux gehen und einkaufen werdet. Frau Rode wird euch die Adressen der geeigneten Geschäfte geben sowie ausreichend Geld, damit du dich dem Institut entsprechend einkleiden kannst. Ich hoffe, Charly wird dir mit Rat und Tat zur Seite stehen.«
»Mein Vater gibt mir Geld?«, fragte Elena ungläubig. »Ausgeschlossen. Das glaube ich nicht.«
»Es ist so.«
»Das verstehe ich nicht.«
Charly platzte dazwischen. »Mensch, Elena, nun freu dich doch! Wir beide werden -«
Elena brachte sie mit einer Handbewegung zum Schweigen. »Das muss ein Irrtum sein, Professor Mori. Mein Vater ist …« Sie zögerte. »Mein Vater gibt nie unnötig Geld aus.«
»Das mag ja sein«, entgegnete Professor Mori. »In deinem Fall, Elena, handelt es sich aber nicht um Geld, das unnötig ausgegeben werden wird. Ich achte darauf, dass alle Schülerinnen und Schüler unter denselben Bedingungen in Villa Rosa sind; das war es, was ich deinem Vater klar gemacht habe.«
»Und das hat er verstanden?« Elena hielt es nicht mehr länger auf dem Stuhl. »Nicht
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