Die Liebesluege
herunter. »Zuerst blond, dann braun, jetzt rot? Unser Lord liebt die Abwechslung.«
»Nimm die Pfote weg, Lana.«
»Krrr…« Swetlana legte beide Hände auf Gordons Schulter und richtete sich auf. »Die Neuen sollen sich nach dem Frühstück im Sekretariat einfinden.«
Ringsum waren die Gespräche verstummt. »Lass Gordon in Ruhe«, sagte einer der Jungs.
Spöttisch hob Swetlana eine sorgfältig gezupfte Augenbraue. »Ihr versteht nicht, dass ich eine einfache Nachricht zu überbringen hatte. Wie dumm von euch.«
An diesem Morgen trug sie einen engen, bis zum Oberschenkel geschlitzten Rock, und obwohl die Jungs sichtlich etwas gegen sie hatten, schauten sie ihr gebannt hinterher.
»Wow!« Charly verdrehte die Augen. »Gab’s da mal etwas, das wir Neuen wissen sollten?«
Gordon rieb die Falte, die sich zwischen seinen Augenbrauen eingegraben hatte. »Es geschah vor eurer Zeit.«
»Also hat es uns nicht zu interessieren?« Charly trank den letzen Schluck Kaffee. »Okay. Hab die Botschaft verstanden.«
Kurz darauf klopften sie an die Tür mit dem weißen Schildchen Sekretariat Frau Rode .
Frau Rode hatte etwas von einem Eichhörnchen an sich: Sie war klein, flink und hatte ein rundes, von dunkelbraunen Haaren eingerahmtes Gesicht mit wachen Augen. Sie erläuterte Elena und Charly die Hausordnung und den Stundenplan, händigte ihnen die Schulbücher und eine Liste mit den Namen ihrer Lehrer aus, informierte sie über die festen Lernzeiten am Nachmittag, über AGs wie Chor, Orchester und Kunst, über die Pflicht, einen sozialen Dienst zu übernehmen, sowie über die Freizeitmöglichkeiten wie Reiten, Golf und Tennis. Sie zeigte ihnen das Foto des Segelbootes Villa Rosa, das jetzt natürlich noch im Winterschlaf vor sich hin dümpelte. »Und kennt ihr bereits unsere Köchin, Frau Pudt? Sie stellt die Reste vom Mittagessen in die Teeküche; ihr könnt euch bedienen, und Tee oder Kaffee könnt ihr euch auch jederzeit zubereiten. Nur müsst ihr darauf achten, euer benutztes Geschirr entweder zu spülen oder in die Maschine zu stellen. Was habe ich vergessen? Ach ja. Bis zu den Osterferien gibt es kein Reisewochenende.«
Teilnahmslos hatte Elena die Informationen über sich ergehen lassen; nur bei dem letzten Satz horchte sie auf, was Frau Rode aber völlig falsch deutete. »Es sind nur ein paar Wochen, dann seht ihr eure Familie wieder«, setzte sie tröstend hinzu.
Elena runzelte unwillig die Stirn. »Wir haben gehört,
dass man in den Ferien auch hierbleiben kann. Das stimmt doch, oder?«
»Ja. Allerdings muss ein berechtigter Grund vorliegen. Der Wunsch allein genügt nicht.«
»Was ist ein berechtigter Grund?«, hakte Elena nach.
»Eine lange Reise und die damit verbundene Abwesenheit der Eltern, Krankheit oder familiäre Probleme. Das dürften die wichtigsten Gründe sein.«
»Den Grund für familiäre Probleme muss man dann wohl angeben?«
Frau Rode nickte.
Vielleicht werde ich zu Ostern ja krank, dachte Elena.
In den ersten beiden Stunden hatten sie Mathe. Charly zeigte allen, dass auf ihren Schultern tatsächlich ein kluges Köpfchen saß und Swetlana sich würde anstrengen müssen, wenn sie ihren ersten Platz in der Klasse behalten wollte.
»Ihr wart uns in deiner alten Klasse voraus«, vermutete Lana am Ende der Doppelstunde.
Als Charly das fröhlich bestätigte, drehte sie sich verächtlich, aber auch triumphierend um. »Die ersten Birnen sind madig, vergiss das nicht.«
In den folgenden zwei Stunden hatten sie Sport; der Weg zur Halle war geräumt worden, aber die tief hängenden Wolken versprachen Nachschub. Deshalb war auch niemand überrascht, als Fräulein Cugat fürs Wochenende einen Ausflug in die Hausberge von Montreux, die Rochers-de-Naye, versprach und Skigymnastik ankündigte.
Charly hob sofort die Hand. »Ich fahre nicht Ski.«
Das fand Fräulein Cugat so unglaublich, dass sie ihre neue Schülerin sekundenlang anstarrte. »Du kommst aber doch aus Zermatt!«
»Stimmt«, bestätigte Charly freundlich. »Mein Vater ist Arzt. Er hat es immer wieder mit Unfällen zu tun, die -«
»Er hat es dir also verboten, das Skifahren?«, wurde sie von Fräulein Cugat unhöflich unterbrochen.
Charly zögerte keine Sekunde. »Ich habe es mir selbst verboten.«
Die Antwort verschlug Fräulein Cugat die Sprache; einige Mädchen kicherten, ein paar, darunter war auch Valerie, lachten laut. »Du wirst hier das Skifahren lernen müssen.«
»O nein.« Charly kreuzte die Arme vor der Brust.
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