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Die Liebesluege

Titel: Die Liebesluege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sissi Flegel
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im Pavillon, gehe ich nicht mit.«
    »Da ist überhaupt nichts Grusliges, wirklich nicht, im Gegenteil«, versicherte er eifrig. »Und jetzt ist’s schon so warm, dass du nicht mal eine Jacke holen musst.«
    So kam es, dass sich Charly nach dem Abendessen um Victorias Matheschwäche kümmerte und Elena mit Max ins Grüne ging.
    Es war ein milder Abend; der See glänzte in milchigem Blau, dunkelgrün leuchteten die bewaldeten Hänge, und dahinter glitzerten die gezackten Gipfel in eisigem Weiß.
Am liebsten hätte Elena wie Charly die Arme ausgebreitet und etwas unbeschreiblich Blödes ausgerufen. »Toll!« oder »Ja Wahnsinn!«
    Aber Elena war nicht Charly; sie prägte sich ein, was sie als besonderes Highlight ausmachte: den weiß blühenden Apfelbaum vor dem Dunkel der Nadelbäume, die tiefrosa Blüten des Mandelbäumchens, den Hang mit den vielen grauvioletten Küchenschellen, eine Gruppe Märzenbecher vor einem verwitterten Zaun und langstielige Schlüsselblumen in einem besonders intensiven Gelb.
    Natürlich dachte sie immer wieder an Stefan. Das wäre was, wenn sie mit ihm und nicht mit Max unterwegs wäre! Der Weg zog sich am Waldrand hin, führte an einem baufälligen Stadel steil den Hang hinauf bis zu einer Lichtung, wo er sich zwischen Schlehen- und Weißdornbüschen und gelbem Ginster dahinschlängelte. Sie fand es gut, dass Max nichts fragte oder erzählte; das Schweigen hatte nichts Verdrossenes, Missgelauntes an sich, im Gegenteil! Elena fand es richtig kameradschaftlich, außerdem konnte sie ungestört an Stefan denken. Wahrscheinlich machte sie sich unnötige Hoffnungen; wenn er immer nur sonntags um 15 Uhr Zeit hatte, würde es wohl nie zu einem Treffen kommen. Sie seufzte. Es war besser und vor allem vernünftiger, wenn sie sich ihn aus dem Kopf schlug.
    Am Ende der Lichtung stießen sie auf ein enges Sträßchen, dem sie wenige Meter folgten und dann auf einem kaum erkennbaren Pfad weitergingen. Sie erreichten einen Bach, überquerten ihn auf wackligen Bohlen und sahen in einiger Entfernung graue Felsen am steilen Hang.
    »Gleich sind wir da.«
    So war es; drei, vier eng zusammenstehende Felsen, jeder
nicht höher als eine Tanne, ragten aus dem Gras wie ein Tor, das ins Innere des Berges führte.
    Max streckte die Hand nach ihr aus. »Kommst du? Es sind nur ein paar Schritte.«
    Die Erde war mit Steinen versetzt; mit einer Hand hielt Elena sich an Max’ Arm fest, mit der anderen tastete sie sich am Fels entlang. Ihre Rücken schlossen das Sonnenlicht aus, es war dämmrig und ziemlich kühl, Wasser tropfte auf ihren Kopf, sie fröstelte. »Jetzt fehlt nur noch die Fledermaus und das Monster, das aus dem Berg schleicht, um uns zu packen«, flüsterte sie.
    Max lachte leise. »Das war’s, hier endet die Höhle, die Grotte, das Loch im Berg.«
    Draußen sahen sie sich um. Niemand war zu sehen, nichts zu hören. Tiefer Abendfriede lag über dem Land.
    Sie setzten sich ins Gras und lehnten ihre Rücken an den Fels.
    »Ich verstehe nicht«, sagte Elena leise, »wie sich jemand ausgerechnet in einer so schönen Gegend die Geschichte eines Monsters ausdenken konnte. Im wilden Kurdistan vielleicht, oder ganz oben in den Bergen … aber hier?«
    Max schlang die Arme um die Beine. »Das wilde Kurdistan kannst du haben. Frankenstein floh vor seinem Monster. Er reiste durch halb Europa bis auf eine der Orkney-Inseln. Dort versuchte er, dem Monster eine Gefährtin zu schaffen, aber in einem Anfall wahnwitziger Verzweiflung riss er das Wesen, an dem er gearbeitet hatte, vor den Augen des Monsters in tausend Stücke.«
    »Und?«, fragte Elena. »Hat sich das Monster an Frankenstein gerächt, weil er ihm keine Frau erschuf?«
    »Na klar. Die Geschichte wäre sonst ja todlangweilig.« Max verzog das Gesicht. »Immer geht’s doch darum, dass
der eine was hat, was der andere auch haben will. Und wenn er das Gewünschte nicht bekommt, rächt er sich eben.«
    Elena fühlte, wie ihr Herz schneller schlug. »Ist das so?«
    »Klar.« Max zögerte. »Ich denke, es gibt zwei Sorten von Rache. Die eine plant man, man geht methodisch vor und schlägt zu, wenn die richtige Zeit gekommen ist. Die andere …«
    »… bricht aus einem heraus, ohne dass man’s eigentlich will«, setzte Elena leise hinzu.
    Max nickte. »Glücklich macht einen weder das eine noch das andere. Danach nämlich ›wandelt sich die schäumende Wut zur tiefsten Verzweiflung‹.«
    Elena presste die Handflächen zwischen die Knie und schwieg.
    Nach

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