Die Liebesluege
wenige Schüler im Speisesaal; viele hatten sich abgemeldet, weil sie einen Ausflug machen oder den Tag zum Lernen nutzen wollten, denn in der letzten Woche vor den Osterferien versuchten die meisten Lehrer, noch eine Runde Klassenarbeiten unterzubringen.
Da von Dienstag bis einschließlich Freitag, dem letzten Schultag, die Zehner einen Aufsatz, eine Englisch-, eine Französisch- und eine Geschichtsarbeit schrieben, wunderten sich Charly und Elena nicht, dass kaum jemand aus ihrer Klasse im Speiseraum saß; weder Swetlana noch Valerie noch die drei Freundinnen und nicht mal Max und Jem waren da.
Wie Elena vermutet hatte, konnte sie sich in ihrem Zimmer weder auf die englischen noch die französischen Vokabeln konzentrieren. Sie setzte sich ans Fenster und war nahe daran, Charly ihre ganze idiotische Familiengeschichte zu beichten, als es klopfte.
»Max!«
Er war nicht allein; hinter ihm drängelten sich Jem, Victoria, Mia und Sophia-Leonie ins Zimmer. Eine hatte etliche Chipstüten, die andere Cola- und Apfelsaftflaschen in der Hand, und Jem hielt je einen Beutel mit Erdnussflips, Salzstangen und Gummibärchen hoch.
»Wir kommen, um uns zu entschuldigen«, sagte Victoria feierlich. »Dürfen wir …?«
Sie setzten sich im Schneidersitz auf den Boden.
Sophia-Leonie überreichte Elena eine Magnolienblüte.
»Darling, deine Ferienarbeit wird nicht benotet. Kannst du uns verzeihen?«
»Habt ihr Herrn Crupinski gefragt?«
»Haben wir. Max und Jem waren dabei.«
»Als Zeugen«, erklärte Max.
»Und Swetty und Valerie?«, erkundigte sich Charly.
Victoria machte eine wegwerfende Handbewegung. »Es war blöd von uns, ihnen geglaubt zu haben. Nein, wir sind alleine zu Herrn Crupinski gegangen. Wir sind uns ziemlich mies vorgekommen.«
»Er konnte nämlich zuerst nicht verstehen, was wir von ihm wollten«, erklärte Mia. »Erst als Sophia-Leonie fragte, weshalb du eine eigene Kleisterarbeit machen dürftest, hat er kapiert. Im Grunde genommen hat er uns ausgelacht.«
»Darling, sei ehrlich: Er hat uns für neidische Idioten gehalten.«
»Genau das wart ihr auch«, sagte Max sachlich. »Ihr hört doch sonst nicht auf Swetlana; warum habt ihr euch ausgerechnet über Elenas Ferienarbeit aufgeregt? Kapier ich nicht.«
»Ihr habt die Sache geklärt.« Elena hob den Becher mit Cola. »Auf unsere …« Sie zögerte. Die drei hatten sie der Lüge bezichtigt; waren es Freundinnen, auf die sie sich verlassen durfte?
»Sag, dass du uns nicht böse bist, Darling.«
»Wenn euch wieder mal etwas unverständlich ist, fragt zuerst und urteilt dann.« Elena wunderte sich über sich. War sie nach nur wenigen Wochen in Villa Rosa aus ihrer Verschüchterung und Unsicherheit herausgewachsen? In ihrer alten Schule hätte sie einen solchen Satz nie und nimmer über die Lippen gebracht. »Ich bin euch nicht böse.«
»Tatsache ist, dass du dich mächtig verändert hast«, sagte Jem fast bewundernd. »Als du gekommen bist, hast du am Daumen gelutscht -«
»- es war der Zeigefinger«, berichtigte Mia lachend.
»- hast stumm zu Boden geschaut und bist ständig rot geworden. Jetzt bist du so gut wie normal. Gratuliere!« Er hob den Plastikbecher, und alle taten es ihm nach.
»Auf unsere gemeinsamen Ferien!« Max zog Elena an sich und küsste sie auf die Wange. »Ich wette, es werden die schönsten meines Lebens.«
»Wenn Swetlana erfährt, dass ihr beide -«
»Sie weiß es.« Max feixte. »Poldy war zufällig im Aufenthaltsraum, als mein Vater mich angerufen und gesagt hat, ich könne in den Ferien hierbleiben. Poldy muss es Lana sofort brühwarm mitgeteilt haben, denn -«
»- kurz vor der Sperrstunde ist sie zu uns ins Zimmer gekommen, angeblich, um sich von mir ein Buch auszuleihen. Gerade als sie gehen wollte, drehte sie sich um und sagte: ›Ich hab gehört, dass du in den Ferien in Villa Rosa bleibst. Viel Spaß beim Basteln, Max.‹ Wir beide haben überhaupt nicht kapiert, was sie damit meinte«, erklärte Jem.
»Ne, das haben wir uns erst zusammengereimt, nachdem sie Elena der Lüge bezichtigte. Ihr -«, er deutete anklagend auf die drei Freundinnen, »- habt ihr geglaubt. Tut das nie wieder!«
Mia leerte ihr Glas. »Den beiden darf man wirklich nichts glauben. Zum Beispiel behaupten sie, nicht mehr zu lernen als früher, aber das stimmt nicht. Wir wissen, dass ihr Wecker morgens um halb fünf klingelt. Dann stehen sie auf und büffeln. Das muss man sich mal vorstellen!«
»Woher wisst ihr das?«
»Unser Zimmer
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