Die Liebesluege
Casino und setzte sich da ins Gras, wo sie sowohl Elena als auch die drei im Gartencafé vorm Eden Palace im Blick hatte.
Ihre Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt, denn nichts geschah. Elena war und blieb allein, bei den dreien tat sich nichts, und auch zwischen den Spaziergängern entdeckte sie keine Person, die ihrer Meinung nach Elena treffen wollte: Alle Singles spazierten auf unverdächtige Weise an Elena vorbei.
Charly gähnte - und plötzlich passierte alles gleichzeitig.
Die Zweige des Buschs links von ihr bewegten sich, der Duft eines teuren Parfüms wehte ihr in die Nase, auf einmal stand eine junge Frau ganz in Charlys Nähe, und auf der Promenade schlenderte Swetlana im Reitdress Richtung Eden Palace. Natürlich! Swetlana war ausgeritten! Das hätte sie sich denken können!
Charly legte sich ins Gras, schob die Hände unter den Kopf und blinzelte unauffällig zu der jungen Frau hinüber.
Die nahm ihre Sonnenbrille ab, starrte auf das Mäuerchen, auf Elena, setzte die Brille wieder auf, kreuzte die Arme vor der Brust, schob ein Bein vor, trat aufs andere, schien sich etwas zu überlegen und fuhr sich immer wieder unschlüssig durch die Haare.
Die waren lang, lockig, dunkelbraun und ein Traum. Die Unbekannte trug enge Röhrenjeans und ein edles weißes T-Shirt. Sie hatte eine Lederjacke umgehängt, eine braune
Louis-Vuitton-Tasche am Arm und trug Ballerinas von demselben Hersteller. Charly seufzte vor Bewunderung: Die Person, die zwischen den Büschen aufgetaucht war, hatte eine Figur und war gestylt wie ein Model. Einfach Neid erregend sah sie aus!
Warum starrte ein so perfektes Wesen unverwandt auf Elena?
»Kann ich Ihnen behilflich sein? Suchen Sie jemand?«, platzte Charly heraus.
Die junge Frau erschrak. »Nein«, antwortete sie brüsk, drehte sich um und verschwand zwischen den Büschen.
16 Uhr. Charly rappelte sich hoch. Wegen Swetlana hätte sie nicht Detektiv spielen müssen; aber wer war die tolle junge Frau gewesen?
Sie setzte sich neben ihre Freundin. »Ist niemand gekommen?«
Elena schüttelte den Kopf. »Ich versteh das nicht. Warum schreibt sie mir eine SMS, wenn sie dann doch nicht kommt?«
»Sie?«, wiederholte Charly.
Elena wurde rot. »Meine Schwester«, flüsterte sie.
Charly stutzte. »Sieht sie gut aus?«
»Das kann man so sagen.« Elena verzog das Gesicht. »Du würdest nicht glauben, dass wir Schwestern sind.«
»Ist sie jünger als du?«
»Älter ist sie.«
Die junge Frau, die plötzlich neben ihr auftauchte, war also Elenas Schwester gewesen! Charly ärgerte sich maßlos über sich: dass sie so begriffsstutzig sein konnte! Sollte sie Elena sagen, dass ihre Schwester hier gewesen war, aber dann doch nicht den Mut fand, sich mit ihr zu treffen?
»Wo wohnt sie?«
»In Heidelberg. Warum?«
»Ich frage mich, wie sie nach Montreux kommen würde.«
»Sie hat ein Auto.«
Charly dachte nach. Wenn die Schwester den weiten Weg nicht scheute und dann doch nicht mit Elena sprach, lag die Schuld an dem Familiendesaster garantiert nicht allein bei ihrer Freundin. Es bedeutete, dass die schöne Schwester ein schlechtes Gewissen hatte …
Charly sah, dass Elenas Handy in ihrem Schoß lag; sie griff danach, rief die SMS »HALLO, MÖCHTE DICH TREFFEN…« auf, drückte auf »antworten«, tippte FEIGLING ein und schickte die SMS ab, bevor Elena auch nur ahnte, was Charly beabsichtigte.
»Was hast du getan?«
»Deine Schwester war hier. Sie hat dich beobachtet, aber sich mit dir zu treffen, hat sie sich nicht getraut.«
Aus Elenas Gesicht wich alle Farbe. »Das glaube ich nicht!« Sie sprang auf. »Meine Schwester war hier? Wie willst du das wissen? Du kennst sie doch nicht!«
Charly zog Elena neben sich aufs Mäuerchen und beschrieb die junge Frau. »Sie ist eine Schönheit, Elena.«
»Schön und brillant. Neben ihr war ich immer das Aschenputtel - in jeder Hinsicht. Wohin ist sie gegangen?«
»Keine Ahnung.« Charly hielt Elena fest. »Glaub mir, es hat keinen Sinn, sie zu suchen. Deine Schwester will dich nicht treffen.«
»Aber weshalb fährt sie sonst von Heidelberg nach Montreux?«
»Sag du es mir, Elena. Ich weiß es nicht.«
»Wir müssen sie suchen! Bitte, Charly!« Elena ließ sich nicht umstimmen; sie rannten durch die Fußgängerzone,
sie eilten durch die Parkhäuser in der Innenstadt, sie schauten in Cafés und Restaurants - vergeblich.
Schließlich gaben sie die Suche auf, um nicht zu spät zum Abendessen zu kommen.
An diesem Sonntag waren nur
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