Die Liebesluege
akzeptierst, wie sie nun mal ist -«
»Das kann ich nicht!«
»- oder dass du ihnen erklärst, warum irgendwann mal was schiefgelaufen ist. Wenn dir das wichtig ist, musst du den ersten Schritt tun.«
»Wie denn?«
Charly sprang vom Mäuerchen. »Du wartest jetzt bis 15 Uhr. Dann siehst du weiter.«
Sie hatten so viel Zeit, dass sie auf der Uferpromenade nach Montreux gingen. Fünf Kilometer waren das; eine lange Strecke, während der jede ihren Gedanken nachhing.
Elena dachte an niemand anderen als an die Person, die ihr möglicherweise die neue SMS geschickt hatte. Würde sie auf der Bank sitzen? Immer wieder schaute sie auf die Uhr; manchmal hätte sie am liebsten die Zeiger angehalten, dann wieder sehnte sie die Zeit herbei. Sie stellte sich vor, wie ihre Eltern den Sonntagnachmittag verbrachten. Ihr Vater würde nach dem Mittagessen Zeitung lesen und darüber einschlafen. Ihre Mutter würde die Küche aufräumen, Kaffee kochen, den Fernseher einschalten. Das war kein Leben. Das war Stillstand … Als sie auf der Seepromenade vorm Eden Palace standen, riss Charly sie aus ihren Gedanken. »Hast du Hunger?«
»Ich kann nichts essen.«
»Zu aufgeregt?« Charly steuerte ein freies Tischchen an. »Man muss nicht hungrig sein, um Eis zu essen.«
Elena hatte Herzklopfen. Sie nahm ihre Armbanduhr ab und legte sie vor sich auf den kleinen runden Tisch, um ja nicht die Zeit zu verpassen. Beide bestellten einen Eisbecher und beobachteten die Passanten.
Fünf vor drei legte Elena die Uhr wieder an. »Ich gehe jetzt.«
»Moment mal.« Charly hielt sie am Handgelenk fest. »Wenn du die Sache mit deiner Familie in Ordnung bringen willst, wenn du es dir nicht nur wünschst, sondern wirklich willst, musst du den Anfang machen.«
»Das hast du mir schon mal gesagt«, entgegnete Elena ungeduldig.
»Dann schau gefälligst nicht wie ein verängstigtes Karnickel aus.«
»O Gott! Tu ich das?«
»Ja. Du siehst aus, als säßest du schon in der Falle und der Jäger müsste nur noch die Hand ausstrecken, um dir den Garaus zu machen. Mensch, Elena, so geht das nicht! Wer in den Kampf zieht, muss siegen wollen, kapiert? WOLLEN - in Großbuchstaben! Wer den Sieg nicht wirklich will, bleibt besser zu Hause. Kopf hoch! Du schaffst das!«
Während Elena zum Trachycarpus eilte, verglich sie sich mit ihrer Mutter. Die blieb hinterm Ofen sitzen, weil es da wenigstens warm und, in gewisser Weise, auch sicher war. Ich will nicht wie meine Mutter sein! Ich werde kämpfen , schwor sie sich.
Auf der Bank saß ein junges Pärchen. Damit hatte sie nun wirklich nicht gerechnet; sie blickte sich um und ließ
sich gegenüber auf der schmalen Mauer nieder, die die Blumenrabatte vom Weg trennte.
Drei Minuten nach drei. Sie biss sich auf die Lippe und wartete.
Charly fragte sich, was sie mit dem angebrochenen Nachmittag anfangen könne. Zuerst beobachtete sie die Passanten und überlegte dabei, wer die Person sein könne, die Elena treffen wollte, gab es aber bald auf, denn auf der Seepromenade flanierten ausnahmslos ältere oder jüngere Paare mit oder ohne Kind, Hund, Rollerblades, Skateboard oder Fahrrad. Manchmal spazierten auch einige junge Mädchen oder zwei, drei Jungs vorbei - und da! Waren das nicht Gordon, Poldy und Valerie? Da schau her! Wo war Swetty? Swetty fehlte! Na so was!
Hastig stand Charly auf. Sie hatte nicht die geringste Lust, den dreien zu begegnen, eilte zwischen den Tischchen hindurch, bog um die Ecke und stellte sich vor die Speisekarte eines Restaurants, von wo aus sie unauffällig das Gartencafé vom Eden Palace beobachten konnte.
Die drei hatten den Tisch erspäht, an dem sie gerade eben noch gesessen war, Poldy winkte dem Kellner, sie setzten sich und gaben wenig später ihre Bestellung auf.
Was nun?
Um nicht gesehen zu werden, ging Charly am Palace Oriental vorbei zur Fußgängerzone. Wo war Swetty? Kam sie nach? Noch nie hatte sie Valerie ohne Swetlana erlebt! Hatte die einen Freund in Montreux, den sie nur sonntags treffen konnte?
Charly eilte die Fußgängerzone entlang und bog am Casino rechts ab, um wieder zur Promenade zu gelangen. Sie schlängelte sich zwischen den Flanierenden hindurch,
bis sie den Trachycarpus fortunei sah, wo Elena auf dem Mäuerchen saß. Allein.
Inzwischen war es 3 Uhr und 20 Minuten.
Die geheimnisvolle Person hatte sich wohl verspätet. Oder wollte sie Elena durch langes Warten zusätzlich quälen? Das wäre allerdings gemein … Charly pirschte sich durch die Anlage vorm
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