Die Liebesverschwörung
Frido von Sorppen geheiratet. Renate war noch sehr klein gewesen, als ihre Eltern beim Skilaufen von einer Lawine verschüttet worden waren. So hatte die kleine Waise bei den Großeltern gelebt. Doch als sie größer wurde, zog es sie nach München. Sie wollte Anwältin werden. Weil ihr Vater dort eine Anwaltspraxis gehabt hatte. Sie war das einzige Kind, das Vermächtnis einer Liebe. Und sie fühlte sich berufen, ihren toten Eltern Ehre zu machen und die Ziele ihres Vaters zu verfolgen.
Ihre Großeltern waren immer voller Verständnis gewesen. Die beiden anderen Töchter hatten ebenfalls Männer geheiratet, die sich nicht für Landwirtschaft interessierten. So hatten sie das Land an ihren ehemaligen Verwalter verpachtet. Er wohnte auf Sichtweite mit seiner Familie in dem schmucken Verwalterhaus. Sie verstanden sich gut. Er war höflich und aufmerksam ihnen gegenüber. Doch in Wilhelm v. Pluttkortens Hinterkopf saß immer noch ein Körnchen Hoffnung. War es denn so unmöglich, daß seine Lieblingsenkelin einen Mann fand, der nach Pluttkorten paßte?
Nun, die Hauptsache war, das Kind wurde glücklich. Im geheimen verstand er ja die jungen Frauen von heute nicht, die unbedingt auf eigenen Beinen stehen wollten. Sie brachten sich doch um so vieles im Leben: Huldigungen, Heldentaten, einen Mann, der jederzeit für sie durchs Feuer ging oder ihnen auf Wunsch die Sterne vom Himmel holte. Doch davon ließ Wilhelm v. Pluttkorten sich nichts anmerken. Man mußte mit der Zeit gehen. Amélie war da viel elastischer als er.
Mike Kringel sagte: »Ich bin wirklich gerührt. Die Frage ist nur, was wir aus Ihrer Story lernen können. Was meinst du, Laura?«
Sie lehnte sich in ihrem schweren Sessel zurück. Die blonden Haare breiteten sich an der Lehne aus. Sehr elegant wirkte sie. Elegant und verführerisch mit ihrem zart bräunlichen Teint, den schimmernd blauen Augen, dem zart geschwungenen Mund. Eine weiße Spitzenbluse zum weiten, weißen Rock brachte ihre grazile Figur vortrefflich zur Geltung. Ja, sie war reizvoll, das sah man auch als Bruder.
Laura lächelte. »Eins will ich mir zu Herzen nehmen: Eine Frau ist eine Frau und sollte auch mit weiblichen Waffen kämpfen.«
»Und Sie sind sehr gut bewaffnet, wenn ich mir die Bemerkung als alter Mann erlauben darf«, sagte Wilhelm galant.
»Danke! Nun, dann sollte ich es vielleicht versuchen. Es muß Spaß machen, einmal ganz groß als Eva herauszukommen. Es soll ja ein Spiel sein und verpflichtet letztlich weder Eberhardt Bercken noch mich zu irgend etwas. Wenn er ein wenig aus seiner Höhle hervortritt, hat es schon etwas Gutes bewirkt, nicht wahr?«
Mike wiegte den dunklen Kopf. »Vergiß aber nicht, Laura, daß du die Hauptrolle übernehmen mußt, falls wir uns etwas ausdenken. Du mußt schließlich der Köder sein für den menschenscheuen und frauenfeindlichen Kerl.«
»Fantastisch. Vor acht Tagen noch war mein Leben ziemlich hoffnungslos und düster. Ich stak voller Traurigkeit. Oh, ich war so enttäuscht. Der Mann, dem ich vertraut hatte, ließ mich im Stich. Das ist wunderbar, daß man im Leben immer noch einmal anfangen kann. Wir werden gemeinsam den Löwen aus seiner Höhle locken!«
»Nein, mein Kind. Sie werden in die Höhle des Löwen gehen«, sagte Amélie v. Pluttkorten sanft.
Alle riefen durcheinander. »Wie?!«
»In die Höhle« … »Laura zu Eberhardt?!«
»Natürlich. Einen Köder muß man so auslegen, daß er vom ›Opfer‹ auch erreicht werden kann, also in der Nähe, nicht wahr?«
»So wie Sie es gemacht haben, als Sie mit Stine tauschten?«
»In der Art. Selbstverständlich müssen wir das in der Praxis modernisieren …«
»Aber wie?« fragten Renate und Mike gleichzeitig.
Sie grübelten, schlugen vor und verwarfen es wieder.
Laura sagte nachdenklich: »Vielleicht sollte ich als Vertreterin für Landmaschinen oder so etwas hingehen?«
»Nein, das wäre völlig unwahrscheinlich …«, überlegte Amélie Pluttkorten.
Plötzlich schrie Mike Kringel: »Ich hab's! Laura, deine Idee mit dem Landmaschinenvertreter hat mich auf einen Gedanken gebracht. Also, mein Plan ist folgender …«
So lauschten sie, feilten den Plan weiter aus, kalkulierten Unwägbares möglichst mit ein, kamen immer mehr in Stimmung und waren, als alles besprochen war, richtig übermütig.
Renate sprang auf und wirbelte durchs Zimmer. »Spitze! Große Klasse!«, rief sie. »Nein, macht das Spaß! In München ist ja nicht halb so viel los wie hier auf der
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