Die Liebesverschwörung
nicht. Wenn Herrchen unbedingt über einen Holzstoß fliegen wollte, bitteschön. Dann machte ein kluger Hund eben einen kleinen Bogen. Aber Bäche, wie Arco wußte, ließen sich kaum umrunden. Also: Anlauf, Mut – und rüber. Laut kläffend holte er sein menschliches Leittier wieder ein, den Mittelpunkt seines Lebens, der ihm Futter und Zuwendung gab, alles, was ein Hund eben so brauchte.
Sein Herr spielte merkwürdige Spiele mit ihm. Er ließ ihn Sachen holen und abliefern. Manchmal mußte er an einem Gegenstand schnuppern, der nachher irgendwo auszubuddeln war. Er hatte an einem Platz, langgestreckt liegend, gehorsam auszuharren, bis sein Herr ihn durch einen bestimmten Pfiff erlöste. Danach wurde man gelobt und anerkennend geklopft und ließ erhitzt die Zunge baumeln und schlackerte mit den Ohren.
Doch geboren war Arco im Grunde für die Jagd. Sie saß dem Cockerspaniel im Blut wie einem Zugvogel die Reise in den Süden. Wenn er jedoch einmal auf eigenen Einfall hin in fremden Revieren stöberte, war sein Herr danach stets sehr böse. Deshalb tat er es nur noch selten.
Jetzt hatte er aufgeholt und rannte neben dem Reiter her, wobei er extra laut hechelte und schief nach oben guckte. »Ja, braver Hund!« lobte Eberhardt, und Arco setzte sich zum Endspurt in Bewegung.
Eberhardt atmete tief ein, als das langgestreckte Herrenhaus in Sicht kam. In einem weiten Viereck schlossen sich Stallungen und Verwaltungsgebäude, Scheunen und Wohnungen an.
Manchmal, an Wochenenden und besonders im Sommer, kamen Leute aus der Stadt als Touristen und schauten sich um, spazierten überall hin, riefen: »Wo sind denn die Pferde?« Es war rührend und lästig zugleich. Im Winter hatte man seine Ruhe. Manchmal auch zuviel Ruhe.
Ein Mann, sein Pferd und sein Hund. War das nicht ein Glück? Ja, ich will nicht undankbar sein, beschloß Eberhardt zum hundertsten Male. Bald ist Erntedankfest. Die Tiere sind eine Pracht. Ich habe einen guten Freund in Mike. Für die langen Abende gibt's Bücher und Fernsehen. Und Weihnachten geh ich einfach wieder gleich nach der Kirche ins Bett. Mit einem ordentlichen Whisky. Er saß ab. Ein Azubi führte Dannyboy in den Stall, um ihn abzureiben. Carmencita wieherte. Arco verwickelte sich in eins seiner endlosen Scharmützel mit der schwarz-weißen Katze, aus denen er stets als ungebrochener Verlierer hervorzugehen pflegte. Bis zum nächstenmal!
Eberhardt ging ins Haus, wandte sich von der riesigen Halle aus nach rechts und betrat sein Arbeitszimmer, von dem hohe Bogenfenster den Blick auf die Rückseite des Parks freigaben: weite, sanft hügelige Rasenflächen, ein Bach, der in Stufen zu winzigen Wasserfällen aufgestaut war, Blumenrabatten, die in herbstlich frischen Farben prangten.
Die beiden Schwäne, die hier freiwillig ihr Domizil bezogen hatten, leuchteten weiß in dem Grün.
Der Raum war fast unverändert so, wie ihn Generationen von Berckenmännern bewohnt hatten. Keine Spur von ›Moderner Wohnkultur‹ oder ›italienischem Styling‹. Schwarze, wuchtige Eichenmöbel, weiße Wände, ein etwas verblichener Perserteppich, schwarzlederne Sessel und ein riesiges Ledersofa. Die Portieren waren aus schwerem, dunkelrotem Samt. Der Bücherschrank quoll schier über, manche Buchrücken zeigten mit Goldprägung, in schweren Leder- oder schönen Leineneinbänden ihr Alter an. Aber auch Taschenbücher häuften sich bereits. Und in der Luft hing ein über die Jahrzehnte erzeugtes Konglomerat aus Tabakrauch und Mann. Nirgendwo sonst fühlte Eberhardt sich seinen Vorfahren so verbunden wie in diesem Raum, dessen Atmosphäre die einzelnen Persönlichkeiten bewahrt zu haben schien. So wie in einer Kirche, in der so viele Menschen gebetet haben, Frömmigkeit sich leichter empfinden läßt.
Eberhardt zog sein kariertes Jackett aus und warf es – schwupp – neben einen Sessel. Er trug nun ein weißes, weiches Hemd und enge Reithosen. Mit seinen kräftigen Schultern und den schmalen Hüften, hochgewachsen und nervig, kam er figürlich dem Typ amerikanischer Filmstars nahe, die Westernhelden oder Polizisten einer Spezialeinheit spielen.
Er guckte die Post durch. Die Hälfte wanderte, wie immer, gleich in den Papierkorb. Da wurden billige Kredite und ganze Meter Lexika angeboten, Luxusreisen, Lotteriegewinne, Heiratschancen per Computer, Abonnements, heute das für eine Zeitschrift ›Kapital und Anlage‹. Ein Prospekt mit Damenmoden und ein Katalog, in dem das angezeigt wurde, was Eberhardt ›ein
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