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Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1

Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1

Titel: Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elspeth Cooper
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seinem Kopf wider wie der Untergang eines ganzen Reiches.
    O Göttin, hilf mir . Die untergehende Sonne brannte in seinen Augen. Alles, was er sah, war rot – das Rot der Rosen und des Blutes, das die Ritter ertränkte und die Spitzen ihrer Lanzen befleckte. Gorans Hauptmann schwang den Arm, trieb seine Männer voran, und die Kordeln flogen wie Blutspritzer aus einer aufgeschlitzten Ader.
    Alderan riss den Mund auf und schrie etwas, aber es waren keine Worte zu hören. Es war überhaupt nichts mehr zu hören außer dem Sang in ihm und einem Rauschen, das Gairs Gliedmaßen prickeln ließ.
    Gegrüßet seist du, Mutter, voll der Gnade, Licht und Leben der ganzen Welt. Gesegnet sind die Sanftmütigen, denn sie werden in dir Stärke finden. Gesegnet sind die Gnädigen, denn sie werden in dir Gerechtigkeit finden. Gesegnet sind die Verlorenen, denn sie werden in dir Erlösung finden. Amen .
    Funken stoben von den Hufen des Rotbraunen auf, als Gair ihn herumriss und in die Richtung lenkte, aus der sie gekommen waren. Die Muskeln in den Hinterbeinen des Tieres spannten sich, und es legte die Ohren an. Die Granittreppe war steil, aber das Pferd sprang dennoch ein Stück hinunter. Die Landung warf Gair im Sattel hin und her, doch es gelang ihm, sich festzuhalten, und der Rotbraune machte sich zu einem weiteren Sprung bereit.
    Vertraue dem Pferd . Er musste dem Pferd vertrauen. Vertraue dem Pferd. Vertraue dem Pferd. Heilige Muttergöttin, ich will nicht sterben . Nach einem weiteren Sprung befand sich Gair wieder auf der Straße. Staub wirbelte um ihn herum empor. Erregung fuhr an jedem Nervenstrang entlang. Die Magie erfüllte sein ganzes Sein; er war aufgedunsen von ihr, war mächtig, war wie ein praller Weinschlauch kurz vor dem Platzen. Und sie sang zu ihm. Alles, was man ihm beigebracht hatte, schrie, dass es falsch war, aber er konnte nicht mehr dagegen ankämpfen. Er befand sich in ihrem Griff und war vollkommen hilflos. Er musste sie benutzen, bevor sie ihn verzehrte. Er würde auseinanderfliegen, würde in einem einzigen Lichtblitz explodieren und …
    Sie war weg. Die Normalität schmetterte ihn nieder und trieb ihm den Atem aus der Brust. Er sackte über dem Hals des Pferdes zusammen, rang heftig nach Luft und hustete, weil er auch Staub eingeatmet hatte. Er roch Schweiß, hörte klirrendes Pferdegeschirr und seltsamerweise auch das süße und klare Zwitschern einer Feldlerche so hoch über ihm, dass sie unsichtbar war. Aber die Musik war verschwunden. Das hatte sie noch nie getan. Verwirrt spuckte er aus und richtete sich auf.
    Alderan packte ihn bei der Schulter. »Was in aller Höllen Namen hast du dir dabei bloß gedacht?«, zischte er.
    »Ich will nicht sterben, Alderan. Ich will nicht, dass sie mich zurückbringen.«
    Der alte Mann beugte sich vor, bis sein Gesicht dicht vor Gairs schwebte. Seine furchterregenden Augenbrauen zogen sich zusammen, und er sprach schnell und mit leiser Stimme, während die Ritter sie umzingelten. Sein fester Griff ließ nicht nach. »Hör mir zu. Niemand wird dich heute irgendwohin bringen, hast du das verstanden? Du hast mein Wort darauf. Und jetzt bleib ruhig und mach den Mund nicht auf. Um der Liebe der Göttin willen, reiß dich zusammen. Hast du mich verstanden?« Er schüttelte Gair an der Schulter. »Gair, hast du mich verstanden?«
    Gair nickte und musste wieder ausspucken. Die Musik war fort, aber die Angst hielt sein Herz noch mit eiserner Hand umkrallt. Der Griff um seine Schulter wurde zu einem freundschaftlichen Klopfen.
    »Wie lange dauert es noch bis zum Sonnenuntergang?«, fragte er.
    »Etwas mehr als eine Stunde. Die Grenze der Diözese ist nur etwa eine Meile von hier entfernt. Uns bleibt also genug Zeit.«
    Die Ritter hatten einen Kreis um sie gebildet und hielten ihre Lanzen bereit. Gair steckte sein Schwert wieder in die Scheide. Dabei wurde ihm bewusst, wie stark seine gebrandmarkte Hand schmerzte. Blut befleckte den Verband, und Pein durchjagte ihn. Er legte die Hand auf den Oberschenkel, während der Hauptmann seinen Helm abnahm und sein Pferd näher an ihn herantrieb.
    »Ich nehme dich auf Anweisung des Ältesten Goran gefangen«, verkündete er. »Wirf deine Waffen weg.«
    Das Gesicht des Hexenjägers erschien zwischen dem Hauptmann und dem Ritter neben ihm; die blassen, feuchten Augen blickten von dem einen Gefangenen zum anderen, und er grinste. Der schmale Kiefer und die spitzen Zähne verliehen ihm das Aussehen eines Fuchses.
    »Verhaftet?

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