Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1
Weswegen?«, fragte Alderan.
»Landfriedensbruch und Diebstahl.«
»Landfriedensbruch?« Der alte Mann hob die Brauen. »Das hier ist öffentlicher Grund und Boden.«
»Ich habe nicht gesagt, dass ihr in diesem Augenblick Landfriedensbruch begeht.« Der Ritter lächelte, oder zumindest zeigte er seine Zähne. »Vor fünf Meilen seid ihr auf den Besitz des Ältesten Goran geritten.«
»Wir haben uns kaum zehn Schritte von der Straße entfernt, um die Pferde zu tränken!«, wandte Gair ein. »Das könnt Ihr doch nicht Landfriedensbruch nennen!«
Mit einem Blick befahl der Ritter seine Einheit näher zu sich. »Ich glaube, ich kann es nennen, wie ich will.«
»Ich vermute, der Vorwurf des Diebstahls bezieht sich auf das Wasser, das die Pferde getrunken haben?«
»Natürlich nicht. Das Wasser ist eine Gabe der Göttin, die allen Menschen und Tieren zur Verfügung steht.«
»Was sollen wir denn sonst gestohlen haben?« Alderans Tonfall war scharf. »Ich vermute, Ihr werdet es uns sagen?«
Der Hauptmann mit dem sandfarbenen Haar bleckte abermals die Zähne. »Dieser Vorwurf bezieht sich auf das Verschwinden eines kleinen Gegenstands aus den persönlichen Gemächern des Ältesten. Es handelt sich bloß um ein einfaches Schmuckstück, aber es besitzt einen ungeheuren Erinnerungswert. Wir müssen euer Gepäck durchsuchen.« Er zuckte die Schultern. »Das könnte eine Weile dauern.«
Ein anderer Ritter sah die beiden eindringlich an. »Willst du deine Schuld eingestehen, alter Mann?«
»Ich?« Alderan breitete die Hände aus. »Es tut mir leid, mein Freund. Ich hatte ein langes und bemerkenswertes Leben, in dem ich mich zweifellos vieler Dinge schuldig gemacht habe, aber darunter ist nichts, woran Ihr nun denkt.«
Der Hauptmann runzelte die Stirn und winkte einige seiner Männer heran. »Durchsucht sie! Durchsucht sie überall!«
Fünf Ritter stiegen ab. Einer hielt die Pferde fest, während die anderen mit ihren dicken gepanzerten Handschuhen unbeholfen die Satteltaschen durchstöberten. Alderan beobachtete den Ritter, der ihm am nächsten war, bis dem Mann so unbehaglich zumute wurde, dass er den Blick erwiderte.
»Wieso starrst du mich so an?«
»Ich frage mich, ob das eine gute Idee ist.« Alderan deutete mit dem Kopf auf den Arm des Mannes, der bis zum Ellbogen in der Reservekleidung steckte. »Man kann nie wissen, was man in der Tasche eines Hexers so alles findet.«
Der Mann warf ihm einen finsteren Blick zu und machte sich wieder an die Arbeit. Plötzlich schrie er auf und nahm ruckartig die Hand weg. Er zog den Handschuh aus und rieb sich die Finger. Einen Augenblick später taten die drei anderen Ritter dasselbe.
Gair sah Alderan kurz an und bemerkte, wie der alte Mann seine Zügel ergriff.
»Fertig?« Alderan hatte den Hauptmann nicht aus den Augen gelassen, der nun etwas mit schriller Stimme brüllte und seine Männer wieder zur Arbeit antrieb. Die verbliebenen Ritter beobachteten sie und nicht ihre Gefangenen. Die Gelegenheit würde nicht lange so günstig bleiben.
Mit einem wilden Aufschrei trieb Alderan sein Pferd auf die Lücke zwischen dem Hauptmann und seinen fünf Untergebenen zu. Gair folgte unmittelbar hinter ihm; der Rotbraune fiel in einen Galopp. Als sie die Linie durchbrachen, schlug Alderan den fremden Pferden mit der flachen Hand auf die Flanken, so dass sie aufwieherten, herumtänzelten und die allgemeine Verwirrung verstärkten.
»Haltete sie auf!«, rief der Hauptmann. »Bei der Göttin, sonst lasse ich mir aus eurer Haut Lederstiefel machen! Bewegt euch! «
Zu spät. Vor Gair war die Straße frei, die hoch zum Hügelkamm führte. Er wagte es, einen Blick über die Schulter zu werfen. Einige Ritter setzten zur Verfolgung an, gaben den Pferden unbarmherzig die Sporen, aber sie waren weit zurück. Er beugte sich über den Hals des Rotbraunen und trieb ihn weiter an.
»Noch höchstens eine Meile!« Alderan deutete auf den Kamm vor ihnen, wo sich die Straße aus den tiefen Schatten wand. Ein gedrungener Grenzstein hob sich gegen den rötlichen Himmel ab. Sobald sie ihn hinter sich gelassen hatten, waren sie aus Gorans Diözese heraus und in Sicherheit.
Gair drückte seinem Reittier die Absätze in die Flanken und verlangte ihm eine letzte Anstrengung ab.
Nach der Hälfte der Strecke wurde das Pferd müde. Schweiß und Schaum bedeckten sein Fell. Sein Atem ging rasselnd durch die weit geblähten Nüstern, aber es lief weiter. Jeder Schritt brachte sie ihrem Ziel näher.
Noch
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