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Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1

Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1

Titel: Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elspeth Cooper
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Hände schoben einen Bolzen beiseite, und Gairs Arme schwangen nach vorn. Sofort durchlief sie ein heißes Prickeln, als der Blutkreislauf wieder in Gang kam, doch dann wurden sie an den Seilen zur Seite gerissen, die von den Ledermanschetten durch Eisenringe an den Wänden und von dort zu den stillen, leichtfüßigen Helfern der Befrager liefen.
    »Bitte nicht.«
    Seine Arme wurden durch die Seile weit ausgestreckt, und er wurde vom Sitz gehoben. Die verkrampften Beine streckten sich ächzend. Noch höher. Das wieder zirkulierende Blut quälte ihn wie mit winzigen Nadeln. Noch höher. Heißer Schmerz in allen Muskeln. Schweiß brannte in den Wunden an seinen blutigen Handgelenken.
    »Göttin, bitte!«
    Die Hanfseile knirschten wie gespannte Takelage. O Mutter, sei mir Licht und Trost, jetzt und in der Stunde meines Todes . Seine Zehen suchten nach Halt auf dem Boden. Ich bin ein Bittsteller vor dir …
    »Bitte!« Gair biss die Zähne gegen die Schmerzen zusammen. Sei mir Licht und Trost. Wenn er nur die Beine ausstrecken und die Fußballen aufsetzen könnte. Jetzt und in der Stunde meines Todes … »Was wollt Ihr von mir?«
    »Nur Antworten auf unsere Fragen, Gair.« Es war wieder die sanfte Stimme. »Sag uns die Namen.«
    »Ich kenne keine Namen«, keuchte Gair. Frischer Schweiß brach auf seiner Haut aus. Heilige Mutter, wie sehr seine Schultern schmerzten! »Es gibt sonst niemanden.«
    Hinter ihm hörte er ein schlangengleiches Gleiten; Leder entrollte sich auf Stein. Sein Mund dörrte aus. Als er zu schlucken versuchte, klickte es trocken in seiner Kehle. »Ich weiß nicht, was ich Euch sagen soll!«
    Dann sang der Riemen und leckte mit Feuer über seinen nackten Rücken.
    Gair zuckte zusammen und erwachte. Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Grundgütige Heilige, er konnte nicht mehr Luft holen. Die Angst hielt seine Lunge in eisernem Griff und schlug die Trommel in seinen Ohren. Ein Schatten bewegte sich neben ihm.
    »Ist alles in Ordnung mit dir?«, fragte Alderan.
    Gair nickte; er traute sich nicht, etwas zu sagen. Die Nachtbrise kühlte seinen verschwitzten Nacken. Er setzte sich auf, stützte die Hände auf die Knie und wartete darauf, dass sich sein rasender Puls wieder beruhigte.
    Alderan holte eine Wasserflasche aus dem Gepäck und drückte sie Gair in die Hand. »Hier.«
    »Danke.« Das Wasser war schal und schmeckte nach Leder, aber es wusch den schlechten Geschmack aus Gairs Mund.
    »Ich kann dir etwas geben, damit du schläfst.«
    Lass mich einfach in Ruhe . »Es geht mir gut.«
    »Du brauchst Ruhe, Gair. Ich habe deinen Rücken gesehen. Sie haben dich ausgeklopft wie einen Qilim-Teppich.«
    Ich weiß . »Ich habe gesagt, es geht mir gut.« Gair trank noch etwas Wasser.
    »Mein Angebot steht noch, falls du es dir anders überlegen solltest.«
    Das werde ich nicht . »Tut mir leid, dass ich Euch geweckt habe.«
    »Das macht nichts. Ich musste sowieso aufstehen.« Alderan klopfte ihm auf die Schulter und ging hinter einen Ginsterbusch, von wo kurze Zeit später das Geräusch einer sich entleerenden Blase erklang. Als er fertig war, kehrte er zurück und rollte sich ohne ein weiteres Wort wieder in seinen Schlafsack.
    Gair nahm noch einen Schluck Wasser und schaute hinaus über das Moor. Drei Tage und hundert Meilen lagen nun zwischen ihm und der Heiligen Stadt. Es war die halbe Wegstrecke bis zur belisthanischen Grenze, aber er konnte seine Vergangenheit noch immer nicht hinter sich lassen. Jetzt war es ihm unmöglich, wieder einzuschlafen. Es war die falsche Nachtzeit. Er rieb sich die Augen. Lumiel, der zweite Mond, war noch kaum in Richtung Morgendämmerung unterwegs. Die Befrager hatten diese Zeit bevorzugt, die nächtlichen Stunden zwischen dem zweiten Mond und dem Sonnenaufgang, wenn die Wasser der Seele Ebbe hatten und die Widerstandskraft am geringsten war. In diesem Abschnitt der Nacht wirkten die Träume nur allzu wirklich.
    Er schaute hinunter auf seine noch immer geschwollene Hand und bewegte vorsichtig die Finger. Die Schmerzen schienen etwas abgenommen zu haben, aber seine Hand hatte weniger Kraft als eine rohe Wurst. Die Flucht vor den Rittern hatte ihr nicht gerade gutgetan. Bei allen Heiligen, er war so müde. Müde und verletzt und hilflos wartete er in der Dunkelheit auf die Dämmerung.
    »Zum Ende der Woche sollten wir in Belistha sein«, sagte Alderan am nächsten Morgen, während er den Sattel auf den Rücken seines Braunen hob. »Von dort aus sind es noch drei Wochen bis nach

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