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Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1

Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1

Titel: Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elspeth Cooper
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drei Befrager. In ihren schwarzen Roben und den Masken aus unglasiertem Porzellan sahen sie vollkommen gleich aus, und es war nicht herauszufinden, wer von ihnen sprach.
    »Sitzt du unbequem?«
    Er nickte. Seine Schultern brannten, und sein Hals schmerzte. Es war so anstrengend, den Kopf hochzuhalten.
    »Es wird bald vorbei sein, und dann kannst du dich ausruhen.« Der sanfte, verheißungsvolle Tonfall passte eher zu einem Beichtstuhl als zu der kahlen Kammer mit den gekalkten Wänden, in der die Befrager ihre Arbeit verrichteten. »Vielleicht kannst du baden und bekommst ein warmes Essen. Würde dir das gefallen?«
    Ein weiteres Nicken. Heißes Wasser. Warme, flauschige Handtücher, in die er sich einkuscheln konnte wie in Sommerwolken. Ja.
    »Alles, was wir hören wollen, ist die Wahrheit.« Diesmal war es eine andere Stimme, hart wie ein Stein. Die Stimme eines wahren Befragers.
    »Ich habe Euch die Wahrheit gesagt.«
    Eine der Masken wandte sich ab. Eine bewegte sich gar nicht, und die dritte, die in der Mitte, hielt neugierig den Kopf schräg.
    »Hast du das? Das kann nicht stimmen, denn sonst wärest du nicht hier. Die Fragen sind sehr einfach. Warum beantwortest du sie nicht wahrheitsgemäß?«
    »Ich habe Euch die Wahrheit gesagt.«
    »Also bitte, Gair«, tadelte ihn die sanfte Stimme; sie klang wie die eines Schulmeisters, der von seinem Lieblingsschüler enttäuscht worden war. »Du weißt, dass dem nicht so ist. Wir haben Geduld mit dir gehabt, und unsere Forderung ist so unbedeutend. Alles, was wir hören wollen, ist die Wahrheit. Das ist unsere Aufgabe – die Wahrheit herauszufinden. Alles, was du tun musst, ist, sie uns sagen. Das ist doch wirklich sehr leicht.«
    Immer dieselben Fragen. Er wusste nicht mehr, wie oft er sie schon beantwortet hatte. Er hatte ihnen die Wahrheit gesagt, wieder und wieder. Er hatte ihnen gesagt, was sie seiner Meinung nach hören wollten, aber auch die Unwahrheit hatte sie nicht befriedigt. Sie hatten ihre Fragen abermals gestellt und waren enttäuscht gewesen, als er ihnen nichts Neues zu sagen hatte. Er war es leid; er war so müde.
    »Ich kann Euch nichts Weiteres sagen.« Er zerrte an seinen Fesseln, und die dicken Ledermanschetten schnitten ihm in die Handgelenke. »Wie oft wollt Ihr das denn noch hören?«
    »Lügen ist eine Sünde vor der Göttin«, sagte die harsche Stimme unvermittelt. »Die Welt ist so, wie sie ist, und etwas anderes zu behaupten heißt, die Vollkommenheit der göttlichen Schöpfung herabzuwürdigen. Beantworte die Fragen, die dir gestellt werden, oder stelle dich der Bestrafung für deine Sünde!«
    »Ich habe die Fragen beantwortet.« Blut tropfte auf Gairs Hände.
    »Wer ist dein Dämon?«
    »Ich habe keinen Dämon.«
    »Wer ist dein Dämon?«
    »Ich habe keinen Dämon! Das habe ich Euch doch schon tausendmal gesagt!«
    »Wer ist dein Dämon?«
    Er schüttelte den Kopf. Es war sinnlos. Dieselben Fragen, dieselben Antworten, immer wieder, auf ewig. Hundert Jahre auf diesem verdammten Stuhl, mit gefühllosem Hintern und unter Krämpfen zuckenden Beinen, gegen die er nichts tun konnte, weil sie an den Boden gekettet waren. Tausend Jahre in dieser feuchten kleinen Kammer, in der er den beißenden Rauch alten Lampenöls und seinen eigenen Gestank einatmen musste. Sinnlos.
    » WER IST DEIN DÄMON? «
    »Ihr verschwendet Eure Zeit.«
    »Sprich, Junge, und du wirst gerettet werden. Wer ist dein Dämon?«
    »Ich habe keinen Dämon! Bei der Liebe der Göttin, hört Ihr mir etwa nicht zu? Ich habe keinen Dämon!«
    »Blasphemiker!«
    »Blasphemie ist eine Sünde, Gair. Ihren Namen auf diese Weise zu gebrauchen …« Einer der Männer schüttelte langsam und traurig den Kopf.
    »Sag uns, was wir wissen wollen«, fuhr ihn der andere Befrager an. »Sprich die Wahrheit!«
    »Ich weiß nicht, was Ihr von mir hören wollt.« Gair ballte die Fäuste und öffnete sie wieder; die Finger glitten durch sein eigenes Blut. »Ich habe Euch schon die Wahrheit gesagt. Ich habe keinen Dämon. Ich habe auch keinen Hausgeist. Und es gibt keinen Hexenzirkel.«
    »Beantworte nur die Fragen.«
    »Ich habe sie beantwortet. Was wollt Ihr denn noch mehr?«
    »Die Wahrheit.«
    Schließlich sprach der dritte Befrager. Seine Stimme klang kultiviert und seidig, beinahe vornehm. »Du hast uns die Wahrheit noch nicht verraten. Daher musst du ermuntert werden, ehrlich zu sein.« Seine schwarz behandschuhte Hand tauchte aus seinem Ärmel auf und machte eine kleine Geste.
    Unsichtbare

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