Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1

Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1

Titel: Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elspeth Cooper
Vom Netzwerk:
Stroh. Wie sollte er dieses Ungeheuer zügeln? Es würde ihn töten …
    Aber da war niemand – nur er und Alderan. Seile und Muskeln waren zum Zerreißen gespannt, und der Sturm hatte eine größere Ausdauer als die Kielkätzchen und ihre Mannschaft. Wenn es noch eine Möglichkeit gab, das Schiff zu retten, dann war er der Einzige, der sie ergreifen konnte. Er stählte sich und griff nach dem Sang.
    Zu Gairs großer Verblüffung kam der Sang zu ihm wie ein Ackergaul zu seinem Herrn. Die Magie beugte sich seinem Willen, so wie sich ein Pferd den Zügeln fügte, und er spürte ihre Stärke, die sich wie eine gewaltige, aber im Zaum gehaltene Macht gleichsam unter dem schimmernden Fell bewegte und von etwas gemildert wurde, das sich wie Respekt anfühlte.
    Verwundert berührte er die Magie. So hatte sie sich noch nie angefühlt, und er hatte nicht gewusst, dass dies möglich war. Es musste Alderans Werk sein.
    »Bist du bereit? Dir bleibt nicht mehr viel Zeit!«
    Die Kielkätzchen sackte wieder unvermittelt und übelkeiterregend in ein Wellental. Als sie gegen die nächste Woge prallte, durchbrach ein scharfer Knall das Sirren der Takelage, und der vordere Mast brach.
    »Achtung!«, riefen die Seeleute auf dem Vorderdeck, als der Mast über ihren Köpfen auf die Backbordreling prallte und die nasse Leinwand durch die Luft drosch. Mehrere Stütztaue peitschten auf das Deck ein. Eine weitere Welle zerbrach einige Wanten; Segel tauchten ins Meer und sogen sich mit Wasser voll. Nach wenigen Augenblicken senkte die Kielkätzchen den Bug und drang immer tiefer in die Wellen ein.
    »Alle nach vorn!«, brüllte der Kapitän. »Schneidet sie frei, oder sie wird untergehen!«
    Gair schob sich das triefnasse Haar aus dem Gesicht. Er musste irgendetwas tun. Es würde einige Zeit dauern, bis die Mannschaft die ineinander verschlungenen Seile gekappt haben würde, die das Schiff an die Marsstenge banden, die wie ein Anker wirkte. Und diese Zeit hatten sie nicht mehr. Die Macht in ihm konnte seinen Verstand innerhalb eines Augenblicks davonfegen. In der Vergangenheit hatte sie ihn schon oft genug gebissen, verbrannt und verachtet … aber jetzt schien sie ihm zu gehorchen. Er wollte wissen, wie es war, auf der Woge dieser Kraft zu reiten.
    Gair schluckte. »Ich bin bereit.« Er stemmte sich gegen den zitternden Stamm des Hauptmastes, als das Schiff erneut bebte. »Los!«
    Nichts hatte ihn auf das Gefühl vorbereiten können, das er empfand, als ein anderer Geist in seinen eigenen eindrang. Er entfaltete sein gesamtes Bewusstsein in Gair wie ein Laken, und der Sang schwoll wie zur Antwort freudig an. Als Gair die Augen schloss, sah er die Fäden von Alderans Gewebe. Es war so groß wie der Himmel, und Schwindel erfasste Gair, als er Kette und Schuss folgte. Doch zugleich war das alles von einer verblüffenden und wunderschönen Logik, und er selbst befand sich in der Mitte und bildete gewissermaßen den Anker. Es war alles so klar und deutlich, dass er laut auflachen wollte.
    Nach wenigen weiteren Sekunden war das Gewebe vollständig; es war ein Netz aus Macht und Kraft, so hell wie das Funkeln eines Juwels. Um ihn herum tobte der Sturm weiter, und das Schiff litt weiter – und dann sprach Alderan.
    Jetzt .
    Gair packte den Mast mit aller Kraft und ließ den Sang los. Er durchspülte Gair, schoss hinaus in Alderans Netz und prallte wie eine Faust gegen den Sturm. Die Kielkätzchen torkelte. Gair wurde gegen den Mast geschleudert, aber die Macht, die Alderan aus ihm herauszog, wurde nicht geringer. Der Sturm wirbelte verwirrt umher und schenkte den Matrosen einen kurzen Moment des Luftholens, in dem sie den zersplitterten Mast abtrennen konnten. Er klatschte ins Meer, und die lose Leinwand wölbte sich und fiel wieder zusammen, als die Wellen die Luft aus ihr peitschten. Endlich hob die Kielkätzchen wieder den Bug. Die Matrosen am Ruder atmeten vor Erleichterung auf, als das Schiff davonzog und seine Bewegungen sofort müheloser wurden. Nun ließ es sich wieder ein wenig besser steuern. Ganz langsam machte es eine Wende.
    Dann schlug der Sturm erneut zu. Er blies querab gegen Steuerbord, und das Schiff taumelte wieder über die Wellen. Alderan fluchte und verstärkte sein Gewebe, aber es reichte nicht. Der Vorteil, den sie zuvor erlangt hatten, war wieder dahin, und Gair spürte unter seinen Füßen, wie die Kielkätzchen ins Schlingern geriet, als der Sturm sie herumwirbelte. Wenn sie sich mit der Breitseite gegen die Wellen

Weitere Kostenlose Bücher