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Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1

Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1

Titel: Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elspeth Cooper
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bei der bloßen Erinnerung daran. Der Feueradler hatte fressen wollen, aber das Quieken des Hasen hatte ihm in den Ohren wehgetan, und der Gedanke an das heiße, vor Angst bittere Blut in seinem Mund hatte ihm die Kehle zugeschnürt.
    »Wenn du eine Gestalt, die du angenommen hast, wirklich verstehen und sie in deiner Seele spüren willst, musst du all ihre Verhaltensweisen ausprobieren. Du musst so jagen, wie sie jagt, und so leben, wie sie lebt. Das ist atemberaubend.«
    »Ich glaube nicht, dass ich das könnte. Es fühlt sich falsch an.«
    »Das liegt daran, dass du es wie ein Mensch betrachtest. Der Adler hingegen würde erst gar nicht darüber nachdenken.« Sie blinzelte in die Sonne. »Komm. Der Tag ist schon fortgeschritten, und ich habe noch nicht alles gesehen, was du kannst.«
    »Ich soll heute Nachmittag ein Seminar bei Meister Godril haben«, sagte Gair.
    »Es gibt mehr über den Sang zu lernen, als er dir beibringen kann. Er wird dich nicht vermissen.«
    »Seid Ihr sicher?«
    »Ja. Godril ist ein aufgeblasener Knilch. Hast du seine Miene nicht gesehen, als du aus dem Hof geflogen bist? Ich dachte schon, gleich trifft ihn der Schlag. Das wäre ihm recht geschehen. So wie er sich benimmt, könnte man glauben, er habe den Sang höchstpersönlich entdeckt.« Nun nahm ihre Stimme einen tiefen, heiseren Klang an, und sie ahmte den blonden Meister bemerkenswert gut nach. »›Das ist eine Illusion! Zeig mir ein Feuer!‹ Als ob niemand außer ihm selbst diese Fähigkeit besäße!«
    Unwillkürlich brach Gair in Lachen aus, und Aysha grinste. Um ihre Augen bildeten sich Lachfältchen und verliehen ihnen einen exotischen Ausdruck. Sie waren von höchst beeindruckendem Blau.
    Sie drückte sich mit den Händen von dem Felsen hinter ihrem Rücken ab. Gair sprang herbei und bot ihr seinen Arm an, aber sie warf kaum einen Blick auf ihn, stand aus eigener Kraft auf und rieb sich den Staub von den Händen. Dann schenkte sie ihm einen unergründlichen Blick. »Manieren machen den Mann«, sagte sie. »Danke, aber ich komme allein zurecht.«
    Sie drehte sich um und verwandelte sich in einen Feueradler. Mit wenigen, weit ausholenden Flügelschlägen, die den Sand um sie herum aufwirbelten, erhob sie sich in die Luft. Gair folgte ihr, und gemeinsam stiegen sie von der Bucht auf. Aysha beschrieb einen Kreis und folgte einem Fallwind zu den Bergen im Landesinneren.
    Jetzt, Leahner, wollen wir einmal sehen, wie gut du wirklich bist .

15
    Masen schlang seine Zügel um den Sattelknauf, so dass sie ihm aus dem Weg waren, er sie aber schnell wieder aufnehmen konnte, falls es nötig sein sollte. Er konnte es sich nicht leisten, aufgehalten zu werden, nicht einmal einen Augenblick lang. Der Pfeifer-Pass war kein guter Ort nach Einbruch der Dunkelheit.
    Er betrachtete eingehend den Himmel. Die Sonne war im Westen schon hinter den Bergen verschwunden, und Schatten krochen von den Felsen auf die Straße zu, die unter ihm lag. Im Hochsommer war es möglich, den ganzen Pass zwischen Morgen- und Abenddämmerung zu überqueren. Doch so spät im Jahr reichte das Tageslicht dazu einfach nicht mehr aus. Er war vor dem ersten Morgengrauen in Richtung Südosten aufgebrochen und so schnell wie möglich geritten, aber ein Drittel der Reise lag noch vor ihm, und er würde nicht einmal in den Genuss des Mondlichts kommen. Miriel hatte gerade die Neumondphase hinter sich und würde nicht über die Berggipfel steigen, und Lumiel würde erst aufgehen, wenn er kein Licht mehr brauchte.
    Verdammtes Pech. Sicherlich lachte die Göttin über ihn, weil sie ihn bei vollkommener Dunkelheit durch eine der unruhigsten Gegenden der Erde schickte, während der Schleier so fadenscheinig wie eine alte Socke war. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als sein ganzes Vertrauen in den Feuerschein und die raschen Beine seiner Stute zu setzen.
    Masen holte die beiden ölgetränkten Fackeln hervor. Er schwang sich auf Breas Rücken und entzündete sie. Sie fingen rasch Feuer; die Flammen drehten sich im unsteten Wind. Mit einer Fackel in jeder Hand trieb er die Stute weiter den immer dunkler werdenden Pass entlang. Wenigstens war die Straße hier gut. Gras und Unkraut hatten die Pflastersteine der Königsstraße schon längst überwuchert, aber sie war eben genug für einen Galopp, falls dieser nötig werden sollte. Er drängte Brea zu einem raschen Trab und hielt die Fackeln hoch, während das letzte Licht des Sonnenuntergangs aus dem Himmel schwand wie die Hitze aus

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