Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1
dann kamen zwei Umrisse auf der rechten Seite hinzu. Masen versuchte sie nicht anzusehen und den Blick zwischen Breas Ohren hindurch starr auf die helle Straße zur richten; das frostüberzogene Gras schimmerte im Fackelschein.
Sollen wir für dich singen? Ja, wir wollen singen. Singen, singen, singen, singen. Ja, wir wollen singen. Singen. So süß singen. So traurig zu deiner Seele singen. Für deine Seele singen. In den Schlaf dich singen. Lieber, mein Liebster. Wieder schlafen. Noch einmal schlafen. So traurig, so traurig. So lange schlafen. Schlafen in Stille. Schweigen. So tief, so lange schlafen. Oder sollen wir SCHREIEN ?
Ein Dutzend Stimmen heulten auf. Ihr Klang drang in Masens Ohren, während die blassen Schatten ihn umschwärmten. Er duckte sich tiefer in den Sattel und trieb Brea voran. Die Mähne der Stute peitschte ihm ins Gesicht, und der eisige Nachtwind trieb ihm die Tränen in die Augen. Er konnte es sich nicht leisten, hier gefangen genommen zu werden.
Bleib stehen!
Masen hielt sein Pferd nur wenige Schritte vor dem Krieger in warmer Winterkleidung an, der mitten auf der Straße stand und einen schweren Kriegsspeer auf ihn gerichtet hatte. Mit einigen Schwierigkeiten gelang es Masen, im Sattel zu bleiben, als sich die Stute aufbäumte und den Kopf herumwarf. Sie wieherte vor Panik, aber er konnte sie nur mit Worten beruhigen; in den Händen hielt er noch die beiden Fackeln. Er flüsterte ihr besänftigend zu, während er den Krieger nicht aus den Augen ließ. Der Mann war groß und trug das lange Haar zu Zöpfen geflochten, in denen Federn steckten. Bronzene Reifen schmückten seine muskulösen Arme, und eine juwelenbesetzte Spange hielt seinen dicken Wollumhang zusammen. Der Stoff war jedoch fadenscheinig, und das Haar des Mannes war so farblos wie Spinnenfäden – es war das Trugbild eines Mannes, nicht wirklicher als die anderen Pfeifer, aber wirklich genug, um die arme Brea zu verängstigen.
»Geh zurück in dein Grab!«, rief Masen und streckte eine Fackel vor. Dann zwang er die widerstrebende Stute, voranzuschreiten. »Hier findet keine Schlacht statt.«
Bleib stehen! , sagte die Stimme erneut. Die Lippen des Speerwerfers bewegten sich nicht.
»Und ich sagte, du sollst verschwinden!«
Masen blies mit der Kraft des Sangs in die Fackel, und ein Feuerball schoss auf den Geist zu. Der hob seinen Speer und schlug den Feuerball beiseite, dann löste er sich in Rauch und Schneeflocken auf, die unter Breas Hufen zertreten wurden, als sie die Stelle passierte, wo die Erscheinung gestanden hatte. Es bedurfte nur einer geringen Ermunterung, die Stute zum Trab anzutreiben, obwohl sie die Ohren rastlos hin und her drehte.
Es fiel noch mehr Schnee, der in dicken Flocken durch die Nacht wirbelte und in den Fackelflammen zischte. Hinter ihm ertönte abermals ein vielstimmiges Geheul, durchbrochen von Schreien der Enttäuschung, die schriller waren denn je zuvor.
Ärger! Du ärgerst uns! Verachtest uns, verspottest uns, spuckst auf unser Lied! Wir werden dir ein anderes Lied singen. Ein Lied von Speeren, ein Lied der Tränen, ein Lied der lange verschiedenen Seelen, zu Staub geworden. Ein Lied der Steine, ein Lied der Knochen. Brechen. Die Knochen brechen. Die Speere, die unsere Knochen brachen. Die Speere brechen und mahlen die Knochen auf den Steinen, die dieses Land übersäen, das einst unseres war. Dieses Land, das wir mit Blut und Knochen erkauften.
Die Schatten verdichteten sich wieder. Nun waren es Dutzende, die wie Wolken dahintrieben. Er versuchte sie nicht direkt anzusehen, aber es waren zu viele. Sie trieben auf ihn zu mit ihren mageren Gesichtern und den tiefen Augenhöhlen, die Münder klafften auf wie unter zu vielen Sorgen, zu großem Schrecken. Hier war eine ganze Armee gestorben, fast ein ganzes Volk war zerschmettert worden zwischen den Hammerschlägen von Endirions besten Soldaten und dem Amboss von Brindlingsfall, und selbst jetzt fand es keine Ruhe.
Noch drei Meilen bis zur sechsten Kurve und dem Ende der Pfeifer. Es war zu viel für sein Reittier, obwohl es galoppieren würde, bis es einen Herzschlag bekam, wenn er ihm die Sporen gab. Die Rennpferde des Herrschers waren in der Lage, diese Strecke rasch zurückzulegen, aber Brea war kein solches Rennpferd, und es war dunkel, und sie hatte viel zu tragen. Nun war Ausdauer notwendig – zunächst ein heftiger Galopp, um Raum zwischen ihn und die Pfeifer zu bringen, und dann Ausdauer. Und darin war Brea sehr gut.
Masen stieß
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