Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1
Brea seine Absätze in die Rippen und versuchte den Toten zu entkommen.
Als die Wolke der Wiedergänger allmählich vom Schnee verdeckt wurde, verlangsamte Masen die Stute mit einem einzigen Wort. Sie schüttelte sich den Schnee aus der Mähne. Ihr Fell dampfte, aber sie hielt den Kopf hoch erhoben. Masen überprüfte seine Fackeln. Sie brannten noch, würden aber nicht mehr lange vorhalten. Vermutlich hatte er für eine weitere Stunde Licht. Er hoffte, dass das ausreichte. Er hatte noch immer zwei Meilen vor sich.
Brea trabte voran; ihre Huftritte waren in dem tiefer werdenden Schnee kaum zu hören. Masen lauschte, ob die Pfeifer wiederkehrten. Jedes Mal, wenn der Wind an den Felstürmen jammerte, die an den Seiten der Straße standen, wandte Masen rasch den Kopf und schaute dorthin, von wo der Laut kam, wobei er die Fackeln ausstreckte, aber außer Schnee war nichts zu sehen. Er fegte von Norden nach Süden über den Pass, so still wie das Zittern einer Engelsschwinge. Die Kälte drückte ihm ihre grausamen Finger in die Ohren, und seine Arme schmerzten von der Anstrengung, die Fackeln hochzuhalten. Es war nichts zu erkennen außer dem Schnee, den Felsen und der erstickenden samtigen Nacht.
Verräter!
Die Stimme erklang dicht hinter ihm. Masen wirbelte herum, während ihm das Herz gegen die Rippen hämmerte. Nichts . Nur noch mehr Schnee, der dort aufglühte, wo er in den rötlichen Lichtkreis der Fackeln fiel. Irgendwo hinter ihm heulte der Wind zwischen den Felsen auf und verstummte wieder. Nichts . Er drehte sich um und erstarrte im Sattel.
Eine Wiedergängerin hing in der Luft vor ihm; sie war so nahe, dass er sie hätte berühren können. Das lange Haar wogte um ihren Kopf. Ihre Haut war so durchscheinend, als ob das glatte Gesicht mit den hohen Wangenknochen aus Mondstein geschnitten wäre. Jede Linie an ihr war vollkommen. Von den sanften, milchweißen Schultern bis zu den zarten Füßen war sie lieblich wie die Morgendämmerung.
Willst du nicht bleiben? Sie lächelte und streckte ihm die Arme entgegen, wie eine Frau ihren Liebhaber willkommen hieß. Bleib bei mir, mein Liebster. Es ist so kalt ohne dich, so kalt in der Nacht. Bleib bei mir. Wir werden viel Zeit haben .
Obwohl ihre Worte verführerisch waren, blieben ihre Augen leer. Die blassen Finger, die nach ihm griffen, endeten in schwarzen Rabenklauen, und die weißen Zähne waren scharf wie die eines Wolfes. Masen schlug die Fackeln hart zusammen. Die Flammen zuckten auf, und die Wiedergängerin wich knurrend zurück. Er streckte die Fackeln vor; sie drangen zwischen den bleichen Brüsten durch die Erscheinung hindurch. Sie warf den Kopf zurück und heulte auf. Von den Sandsteintürmen zu beiden Seiten der Straße antworteten tausend Stimmen.
Mit einem Aufschrei presste Masen Brea die Absätze seiner Stiefel in die Flanken. Die Stute bäumte sich auf und fiel in einen Galopp. Geisterkrieger stiegen aus der Straße auf, hatten ihre Bögen gespannt und schossen einen Pfeil nach dem anderen ab.
Wenn die Geschosse real gewesen wären, hätte sein Körper rasch wie der eines Stachelschweins ausgesehen, doch die Phantomschäfte drangen durch ihn hindurch und hinterließen nur eine kalte Spur in seiner Seele. Ein einzelner Pfeil vermochte ihn nicht umzubringen, aber ein Dutzend oder gar mehr konnten ihn entscheidend schwächen, und die bitterkalte Nacht würde den Rest erledigen. Er duckte sich an Breas Hals und preschte auf die Reihe der toten Bogenschützen zu, während die Flammen seiner Fackeln nach hinten strömten. Als ein Pfeil nach dem anderen durch Brea hindurchfuhr, wieherte sie auf und stolperte einmal, zweimal. Sie atmete angestrengt, und Schaum flog aus ihrem Maul, aber sie galoppierte weiter in den wirbelnden Schnee und den Pfeilregen hinein.
Hinter ihnen wurde das Heulen immer schriller, wurde zu einem Schrei, dann zu einem Kreischen. Dünn und scharf fuhr es wie ein Tranchiermesser über Masens Nervenstränge. Dann wurde es ganz plötzlich still. Obwohl er keine Veränderung im Schnee und in der Nacht um ihn herum erkennen konnte, spürte Masen, wie sich der Pass weitete. Die Wände der Schlucht wichen zu beiden Seiten zurück, wurden weniger steil, und endlich hatte er die Pfeifer hinter sich gelassen.
Mason trieb Brea abwechselnd im Schritt und Trab in die Schatten der Festungsmauern. Seine Fackeln erloschen. Er musste rasch einen Unterschlupf finden, denn sobald der Schneefall aufhörte, würde eine gefährliche Kälte
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