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Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1

Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1

Titel: Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elspeth Cooper
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sollte er jetzt hineinkommen?
    Darrins Herz pochte gegen seine Rippen und bildete einen Kontrapunkt zum Trommeln der kalten Regentropfen auf seinem Kopf, die ihm von dort in den Nacken liefen. Wie sollte er die Tür öffnen? Wenn er lange genug dagegen schlug, würde ihn Pater Verenas vermutlich irgendwann hören und wäre vielleicht so gütig, sein Bett zu verlassen und den Grund für das Klopfen zu erforschen, aber dann würde jemand wissen, dass er hier draußen im Regen stand, weil er sich von seinem neuen Freund nicht hatte losreißen können. Und das wäre gar nicht gut. Es musste doch eine Klinke oder einen Knauf geben. Wie sonst konnten die Aussätzigen hereinkommen und sich ihre Absolution holen?
    Ha! Die Aussätzigen! Warum hatte er nicht schon früher daran gedacht? Darrin bewegte die Hände über das geschwärzte Holz und vertraute eher seinem Tastsinn als seinen Augen. Leprakranken hatten keine Finger, also wäre eine gewöhnliche Klinke für sie nicht von Nutzen. Es musste ein anderer einfacher Mechanismus sein, der ohne großes Geschick zu bedienen war. Er stieß etwas mit der Hand an und packte es, als es wieder auf ihn zu schwang. Es war ein Mechanismus, der ohne den Einsatz von Gliedmaßen funktionierte. Im Notfall mussten die Zähne genügen.
    Grinsend zog Darrin an dem Seil und hörte das Klacken der hölzernen Klinke an der Innenseite. Dann drückte er mit der Schulter gegen das Tor und öffnete es. Die Angeln waren gut geölt, so dass außer dem Trommeln des Regens auf den Hofboden kaum etwas zu hören war. Er schloss das Tor hinter sich, senkte den Riegel und eilte in sein Bett, während das, was er noch vorhatte, wie ein Feuerwerk in seinem Kopf zischte und knallte.
    Zwei Tagesreisen südlich von Fleet setzte der Regen ein. Als Masen in Mesarild das Schiff wechselte, hatten sich die Wolken seit einer ganzen Woche nicht verzogen, und die Fluten des Großen Flusses waren schmutzig braun. Yelda tauchte hinter etlichen schimmernden silbernen Regenschleiern unter den tief hängenden Wolken auf und verschwand ebenso wieder aus seiner Sicht. Weiter südlich war der Fluss über die Ufer getreten und hatte Felder und Wiesen zu beiden Seiten überschwemmt. Tropfnasses Vieh stand bis zu den Knien im Wasser. Entwurzelte Bäume trieben schwerfällig in der Strömung und zwangen den Schiffer, einige Segel einzuholen und langsam dahinzudriften, damit er keinen der Stämme rammte. Mehr als einmal sah Masen, wie in den Dörfern Familien aus einem Fenster im obersten Stock ihrer Häuser von Nachbarn mit Booten gerettet wurden.
    Als der Fluss das Umland der Hafenstadt erreichte, standen ganze Dörfer leer. Nichts außer Treibgut bewegte sich in den Fluten. Die einzigen Tiere auf den Feldern waren schwarz aufgedunsene Leichname. Nicht einmal die Aasvögel waren geblieben; ihr erstaunlicher Appetit war gesättigt. Stinkendes braunes Wasser erstreckte sich von einem Ende des Horizonts bis zum anderen, und noch immer fiel Regen.
    Masen zog den Mantel enger um die Schultern und starrte vom Bug aus auf die Landschaft. Der Mantel bewirkte kaum etwas. Die feste belisthanische Wolle widerstand den meisten Unwettern, nicht aber einem solchen Regen wie auf dieser Reise nach Süden. Masen war bereits bis auf die Unterwäsche durchnässt; sogar seine Stiefel leckten, und wenn er etwas noch mehr hasste als Spinat, dann waren es nasse Socken.
    Er war in schlechter Stimmung. Er hatte versucht, den Agenten des Ordens in Fleet aufzusuchen, aber da er in einem Umkreis von zehn Meilen um die Stadt nicht die geringste Spur von ihm gefunden hatte, hatte er den nächsten Handelskahn nach Süden genommen, um stattdessen mit dem Agenten in Mesarild in Kontakt zu treten. Schließlich war es bis zur Hauptstadt nur eine Bootsreise von drei Tagen nach Süden. Allerdings war in Mesarild das Haus des Agenten bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Masen hatte die Verwalterin angetroffen, wie sie untröstlich in der nassen Asche herumgestochert hatte. Sie hatte ihm mitgeteilt, dass sie auf Besuch bei ihrer Schwester gewesen war, und als sie am nächsten Tag zurückgekehrt war, hatte sie das hier vorgefunden. Der arme Herr und seine arme Frau! Und die netten Kinder. Es war so traurig, so furchtbar traurig!
    Häuser brannten manchmal nieder, nicht wahr? Jemand ließ eine Kerze bei geöffnetem Fenster brennen, der Vorhang stieß die Kerze um, und schon schwärzte Rauch den Himmel. Masen blickte finster auf das Wasser. Was für ein Pech, dass es

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