Die Liga der Siebzehn: Unter Strom (German Edition)
möglich war, dass Hatch und seine Wissenschaftler ein Verfahren entwickelt hatten, mit dem sich Angst erzeugen ließ.
Man hatte mir dreizehnmal Essen gebracht. Das Zählen half mir, ein gewisses Gefühl für Zeit aufrechtzuerhalten. Meine Angstattacke war gerade zu Ende, und ich lag schweißgebadet und zitternd auf dem Boden.
Ich murmelte vor mich hin. »Ich halte das nicht mehr aus. Ihr gewinnt, ich halte es nicht mehr aus.« Ich spürte die Uhr, die mir meine Mutter geschenkt hatte, an meinem Handgelenk. Ich konnte die Gravur in der Dunkelheit nicht lesen, doch das musste ich auch nicht. Ich war mir sicher, dass Hatch mir die Uhr absichtlich gelassen hatte, damit ich an meine Mutter denken musste. Nichts was Hatch tat, geschah zufällig und ganz sicher nicht aus Liebenswürdigkeit. Ich begann zu weinen. »Es tut mir so leid, dass ich dich im Stich gelassen habe, Mom.« Ich hatte abgenommen und jede Zelle meines Körpers schmerzte. Wenn es ihre Absicht war, mich zu brechen, wussten sie genau, wie sie es anstellen mussten. Natürlich wussten sie es. Sie waren Wissenschaftler.
Während ich auf dem Boden lag, bemerkte ich etwas sehr Eigenartiges. In der Ecke des Raums bildete sich ein schwaches Licht. Das Metallrohr, das von der Wand in die Toilette führte, leuchtete plötzlich schwach. Es war kein durchgehendes Licht, sondern kam in unregelmäßigen Abständen. Jetzt ist es so weit , dachte ich. Ich verliere den Verstand . Ich habe Halluzinationen . Ich wandte den Blick ab. Einen Augenblick später sah ich wieder hin. Das Rohr leuchtete noch immer, allerdings etwas heller. Ich kroch zur Toilette und streckte vorsichtig die Hand aus, um es zu berühren. In dem Moment, in dem ich meine Hand darauf legte, wurde es dunkel. Dann überkam mich plötzlich ein Gefühl, das man niemandem beschreiben kann, der so etwas noch nie gefühlt hat. Es war ein unglaubliches Gefühl von Frieden, als würde eine Kraft durch meinen Körper hindurchströmen, die die Angst und den Schmerz einfach herausschwemmte und sie durch perfekte Harmonie ersetzte. Es kam mir vor, als läge ich zu Hause auf meinem Bett und hörte Musik. Sogar das ständige Piepsen klang wohltuend.
Ich ließ das Rohr los und augenblicklich waren die Schmerzen, die Erschöpfung und die Angst wieder da. Schnell griff ich wieder danach. Vielleicht verlor ich den Verstand, aber wenn es mir besser ging, weil ich an einem Rohr hing, würde ich das Ding nicht mehr loslassen.
Plötzlich verstand ich es. Die Zelle mit Taylor, Abigail und McKenna war ein Stockwerk unter mir. Abigail hatte die Gabe, Schmerzen zu nehmen. Wahrscheinlich berührte sie ein Rohr, das zwischen den beiden Zellen verlief und leitete ihre Kräfte zu mir, ähnlich wie ich es getan hatte, als ich Cody Applebaum beim Nachsitzen einen Schlag verpasst hatte. Aber woher konnte sie wissen, wo ich war?
Sie wusste es nicht. Ian wusste es. Er hatte mich wahrscheinlich schon die ganze Zeit beobachtet. Er wusste, dass ich hier war. War es möglich, dass er, Abigail und McKenna zusammenarbeiteten, um mich zu retten? Sie kannten mich ja nicht mal. Und doch ergab es Sinn. Es war möglich, dass McKenna das Rohr zum Leuchten gebracht hatte, um mich dorthin zu führen. Meine Augen füllten sich mit Tränen, die mir im nächsten Moment über die Wangen liefen. Es war nicht das erste Mal, seit ich in diese Zelle gesteckt worden war – aber es war das erste Mal, dass ich nicht wegen der Schmerzen weinte. Zum ersten Mal seit Tagen hatte ich die Hoffnung zu überleben.
Von da an ging ich, wann immer es wirklich schlimm wurde, zu dem Rohr und hielt mich daran fest. Der Schmerz hörte sofort auf. Während der »Terrorsitzungen« waren meine unsichtbaren Freunde immer da. Ich nahm an, dass Ian sehen konnte, wann und wie sie mich folterten.
Ich war meinen unsichtbaren Freunden so dankbar und erkannte, dass ein so überwältigendes Gefühl wie Dankbarkeit eine Macht für sich war. Meine größte Angst war, dass man ihre Unterstützung entdecken und sie in eine andere Zelle verlegen könnte. Ich wusste, dass Hatch und seine Wachen mich beobachteten, darum versuchte ich, das Rohr so unauffällig wie möglich festzuhalten. Normalerweise tat ich so, als müsste ich mich übergeben oder würde etwas trinken.
Eigentlich war ihre Enttarnung nur meine zweitgrößte Angst. Am meisten fürchtete ich mich davor, dass meine Mutter tot sein könnte. Nicht einmal Abigails Kräfte konnten diesen Schmerz aus meinem Herzen
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