Die Liga der Siebzehn: Unter Strom (German Edition)
dein Zwilling«, bestätigte Ian. »Sie war jünger als die meisten von uns, als sie mit ihr anfingen. Sie konnte noch gar nicht begreifen, was sie von ihr verlangten, bis es zu spät war.«
Taylor versuchte, sich zu bewegen, konnte aber nur vor Schmerzen stöhnen.
»Bleib einfach ruhig liegen. Nichelle hat dich ausgesaugt. Es dauert eine Weile, bis du wieder zu Kräften kommst.« Er entfernte sich kurz und kam mit einem Becher Wasser zurück. »Hier, trink etwas. Das hilft.«
Ian führte den Becher an Taylors Mund, und sie trank durstig.
»Haben sie dir das auch angetan?«, fragte sie ihn.
»Ja. Schon sehr oft. Aber nicht so heftig. Ich denke, sie halten mich hier gefangen, weil meine Kräfte nicht so aggressiv sind, deshalb bin ich nicht so wertvoll für sie. Und weil ich blind bin.«
»Du bist blind?«
»Meine Augen sind es. Ich bin es nicht.«
»Wie meinst du das?«
»Ich kann sehen, nur nicht mit den Augen. Es funktioniert wie bei Haien oder Zitteraalen: durch Elektrolokalisierung. Statt Lichtwellen benutze ich Elektrowellen zum Sehen.«
Taylor erinnerte sich daran, dass sie dieses Thema im Biologieunterricht durchgenommen hatten.
»Elektrolokalisierung hat Vorteile. Es spielt keine Rolle, ob es Tag oder Nacht ist, und ich kann durch feste Objekte hindurchsehen. Das kannst du natürlich auch – solange die Objekte lichtwellendurchlässig sind wie Glas oder Eis. Ich kann durch alles hindurchsehen, das auch von Elektronen passiert werden kann.«
»Du kannst durch diese Wände sehen?«
»Ich kann alles außerhalb der Schule sehen. Nur nicht, wenn Nichelle in meiner Nähe ist. Dann bin ich wirklich blind.«
»Kannst du mich sehen?«
»Ja. Du siehst genauso aus wie Tara.« Ian ging in die Hocke. »Ich kann meine Sicht nicht mit deiner vergleichen, da ich noch nie mit den Augen gesehen habe. Aber ich kann mir den Unterschied zwischen deiner Art zu sehen und meiner in etwa vorstellen. Ich kann auch Glows erkennen und wie sie ihre Kräfte einsetzen.«
»Wie Hatch mit seiner Brille«, sagte Taylor.
Ian nickte. »Genau. Sie haben mich studiert, um diese Brillen konstruieren zu können. Weißt du, dieser Laden ist ein Labor. Sie führen hier ständig Experimente durch.«
»Nichelle sagte, sie werden mich sezieren.«
»Ein toter Glow nützt ihnen nichts. Sie weiß nur, wie sie dir Angst machen kann. Das kann sie am besten.«
»Wie lange bist du schon hier?«
»Drei Jahre.«
Taylor schossen Tränen in die Augen. »Ich halte das nicht durch.«
»Doch, das wirst du. Du bist stärker, als du glaubst.«
Sie vergrub ihr Gesicht in den Händen.
»Ich möchte dich den anderen vorstellen.«
»Es gibt noch andere hier?«
»Wie ich schon sagte, wir sind zu dritt.«
Trotz des Schmerzes hob Taylor den Kopf und suchte den Raum ab. Zur ihrer Überraschung entdeckte sie zwei Mädchen. Eine war Chinesin. Die andere war eine Blondine mit leuchtend blauen Augen, das konnte Taylor trotz des diffusen Lichts erkennen. Beide waren von einem Leuchten umgeben.
»Das ist McKenna«, stellte Ian das chinesische Mädchen vor.
Sie nickte. »Hi.«
»Hi«, antwortete Taylor.
»Und das ist Abigail«, fuhr Ian fort.
»Hallo«, begrüßte Taylor auch sie.
Abigail kniete sich neben sie. »Hi, Taylor. Ich werde dich jetzt berühren.« Ihre Stimme war ruhig. »Es wird nicht wehtun. Das verspreche ich.« Abigail drückte ihre Hand sanft auf Taylors Rücken, die sofort spürte, wie eine leichte Schwingung ihren Körper durchströmte und den ganzen Schmerz und die Angst mit sich nahm.
Taylor atmete erleichtert aus. »Was machst du mit mir?«
»Ich nehme dir für kurze Zeit die Schmerzen.«
»Du kannst mich heilen?«
Abigail schüttelte den Kopf. »Nein, das kann ich nicht. Ich kann dir den Schmerz nur für die Zeit nehmen, in der ich dich berühre. Wenn ich loslasse, kommt er wieder.«
»Es tut so gut.«
»Ich mache weiter, solange ich kann«, sagte sie freundlich. »Es ist anstrengend für mich, aber vielleicht halte ich lange genug durch, bis du eingeschlafen bist.«
»Danke, Abigail.«
»Du kannst mich Abi nennen.«
»Danke, Abi.«
»Bitte. Und jetzt versuch zu schlafen.«
Taylor schloss die Augen und vergrub den Kopf in ihren Armen. Bevor sie einschlief, sagte sie: »Ich liebe dich, Abi.«
Abigail lächelte. »Ich liebe dich auch.«
35
Einbruch ins Gefängnis
W ir erreichten Pasadena in der Mittagszeit. Ich schlief auf dem Rücksitz des Camaro und lag halb über Ostin. Als ich aufwachte, hielten wir gerade, um
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